Meinungen - 26.07.2012 - 00:00 

China und die Schweiz: Quo vadis?

Die Schweizer Regierung wirbt um ein Freihandelsabkommen mit China. Weshalb der Aufwand, wo doch noch immer 60 Prozent des Schweizer Exports in die EU wandern? Roger Moser über die Wirtschaftsbeziehungen beider Länder.
Quelle: HSG Newsroom

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26. Juli 2012. Die Strategie des Bundesrates zur Sicherung des Marktzugangs für die international tätigen Unternehmen des Standorts Schweiz stützt sich auf drei Pfeiler: Die WTO, bilaterale Abkommen mit der EU und Freihandelsabkommen mit Partnern ausserhalb der EU. Mit Freihandelsabkommen kann die Schweiz den Marktzugang zu Ländern, welche ähnliche aussenwirtschaftliche Interessen verfolgen, gezielt verbessern. Und Diskriminierungen vermeiden, die sich aus Freihandelsabkommen ergeben, welche andere Länder mit den wichtigsten Konkurrenten der Schweiz (EU, USA und Japan) abschliessen.

Drittwichtigster Exportmarkt für die Schweiz
Für die Schweiz ist China nach der EU und den USA mittlerweile der drittwichtigste Exportmarkt. China ist zugleich das drittwichtigste Herkunftsland für Schweizer Importe. Auch für den Dienstleistungsexport gewinnt China an Bedeutung. Aufgrund früherer Erfahrungen ist zu erwarten, dass der Abschluss eines Freihandelsabkommens im besten Falle zu einer Verdoppelung des Handelsvolumens innerhalb der ersten vier Jahre sowie zu einer Steigerung der Direktinvestitionen in China um 50 Prozent führt.

Ob und wann der Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen China und der Schweiz wirklich zustande kommt, ist auch nach dem Besuch von Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann in China weiter offen – der Teufel steckt im Detail. Insbesondere der Schutz des geistigen Eigentums für Schweizer Firmen sowie die Öffnung der Landwirtschaft in der Schweiz für chinesische Produkte sind noch immer heikle Diskussionspunkte.

Patentschutz in China
Für echte Schweizer Innovationsführer im technischen Bereich gibt es nur minimale Probleme bei der effektiven Umsetzung eines notwendigen Patentschutzes. Dies aus zwei Gründen: Erstens wird das Thema von vielen chinesischen Unternehmen immer ernster genommen, um auch künftig nach Europa und die USA exportieren zu können. Zweitens sind echte technische Innovationen das Ergebnis der Arbeit  von Ingenieuren und Produktionsfachleuten, die es in dieser Zusammensetzung in China noch nicht gibt.

Was die Landwirtschaft anbelangt, so bestimmt der Konsument in der Schweiz, was er kaufen möchte. Bei steigenden Preisen auch in China und einer abzusehenden stetigen Aufwertung der chinesischen Währung wird schon bald der preisliche Unterschied zwischen Poulet aus China und Polen nur noch minimal sein.

Klar ist jedoch, dass immer mehr kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in der Schweiz die Chancen des Absatzmarktes China nutzen wollen und müssen, um im eigenen Land Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten. Hierzu reicht es aber nicht, wenn KMU sich auf die Vorteile eines zukünftigen Freihandelsabkommens verlassen.

Die notwendige Ausrichtung Schweizer KMU nach China erfordert vor allem zwei Dinge. Erstens ein detailliertes Verständnis des chinesischen Marktes und zweitens der langfristige Aufbau von entsprechenden Kompetenzen im Unternehmen. Schweizer Unternehmen müssen sich im Klaren sein, dass es den «einen chinesischen Markt» nicht gibt. Die Unterschiede im Konsumverhalten und der Kaufkraft sind in China wesentlich grösser als in Europa. Nicht einmal Beijing und Shanghai sind sich in Arbeits- und Konsumkultur ähnlich. Ganz zu schweigen vom aufstrebenden Westen Chinas. Die fortschreitende Urbanisierung in ganz China bietet vor allem für hochwertige Angebote aus der Schweiz die Möglichkeit, sich mit relativ wenig finanziellen und personellen Mitteln ein grosses Absatzpotenzial zu erschliessen.

Chancen für Schweizer KMU in China
Der wirtschaftliche Fortschritt in China führt zudem dazu, dass immer mehr chinesische Firmen vermehrt auf Automatisierung in der Produktion setzen. Dazu brauchen sie hochwertige Maschinen wie zum Beispiel von Schweizer Qualitätsherstellern. Eine langfristige Herausforderung stellt der Auf- und Ausbau von entsprechenden Managementkompetenzen und Netzwerken bei Schweizer KMU für den chinesischen Markt dar. Die Art und Weise, wie chinesische Manager verhandeln, ihre Geschäfte organisieren und kommunizieren, unterscheidet sich stark vom europäischen Managementansatz. Die Verantwortlichen in den KMU müssen sich in Zukunft verstärkt mit solchen Herausforderungen auseinandersetzen.

Ob die Schweiz nun ein Freihandelskommen abschliesst oder nicht: Schweizer KMU sollten lieber heute als morgen darüber nachdenken, ob und wie sie sich in China positionieren wollen. Eine langfristige Vorbereitung auf diesen Zukunftsmarkt ist notwendiger denn je und die Universitäten müssen auch hier verstärkt aktiv werden.

Bild: Photocase / jg_79

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