Detail

Meinungen - 05.03.2014 - 00:00 

«Europa darf nicht kapitulieren»

Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland entwickelt sich zur Zerreisprobe für die Beziehungen zwischen den Weltmächten. Mit Moskaus Besetzung der Krim ist die Russlandstrategie des Westens gescheitert. Europa muss Stellung beziehen, schreibt James W. Davis.
Source: HSG Newsroom

$alt

6. März 2014. Mit Moskaus Besetzung der Krim ist die bisherige Russlandstrategie des Westens unwiederbringlich gescheitert. Auch wenn prominente Stimmen Hoffnung auf die Einberufung des NATO-Russland-Rates setzen  und einen Sondergipfel der G-8 Länder verlangen, um eine diplomatische Lösung des Konfliktes zwischen Moskau und Kiew zu ermöglichen, dürfen wir nicht vergessen, dass die Integration Russlands in die Institutionen des Westens ausschliessen sollte, dass es überhaupt zu einer Rückkehr der Politik der Zaren und Kommissare kommen könnte.

Kooperation mit Russland
Um einmal an die Geschichte zu erinnern: Bereits 1991 fanden Konsultationen zwischen der Nato und Russland über sicherheitspolitische Fragen statt, und 1994 wurde Russland Mitglied in der «Nato Partnerschaft für den Frieden.» Um die wachsende Kooperation weiter zu institutionalisieren, wurde drei Jahre später der «Ständige Gemeinsame Nato-Russland-Rat» gegründet. 1997 schloss die EU ein «Partnerschafts- und Kooperationsabkommen» mit der Russischen Föderation ab, und im Jahre 1998 wurde Russland zum Beitritt der Gruppe der führenden Industrienationen eingeladen. Aus der G7 wurde damit die G8.

Das Resultat der Integration? Anstatt der erwünschten Liberalisierung der russischen Gesellschaft wurde die Presse gleichgeschaltet, die politische Opposition systematisch verfolgt, und die wichtigsten Industrien von einer Putin-abhängigen Bande ex-Geheimdienstler unter den Nagel gerissen. Derweil hat  Europa seine eigene Industrie immer abhängiger von russischen Energielieferungen und der Aufnahme europäischer Exporte gemacht. Und die Folge der wirtschaftlichen Abhängigkeit? Politische Schwäche.

Prinzipien oder Geschäfte
Nun steht Europa vor einer Wahl, doch niemand will sie treffen, denn die noch offen stehenden Optionen bedeuten das Ende eines bequemen Selbstbetruges. Man spricht gerne allgemein von der Notwendigkeit einer diplomatischen Lösung des Konfliktes. Doch müssen wir jetzt konkret werden. Worüber soll verhandelt werden? Unter welchen Bedingungen Russland ein Nachbarland besetzen kann? Oder wieviel vom Territorium der Ukraine Russland behalten darf? Nein, jetzt muss Europa eine Entscheidung treffen, eine Wahl zwischen zwei Optionen. Alles andere heisst Kapitulation.

Will Europa seinen Prinzipien treu bleiben, dann kann es bei einer massiven Verletzung der Schlussakte von Helsinki sowie den diversen Abkommen des Europarates, um nicht von der Charta der Vereinten Nationen zu sprechen, nicht wegschauen. Eine militärische Verletzung der territorialen Souveränität eines Landes mitten in Europa kann schlichtweg nicht geduldet werden. Doch was heisst «nicht dulden»? Wie teuer sind die Prinzipien, auf die Europa immer deutet, wenn es darum geht, sich von anderen Regionen der Welt abzuheben? Ist man bereit, für sie Opfer zu bringen? Oder ist am Ende des Tages das Einhalten der Geschäftstermine wichtiger als die Zukunft der Ukrainer?

Klare Spielregeln für neue Machtpolitik
Kommt man zum Schluss, dass eine den europäischen Prinzipien verschuldete Aussenpolitik inzwischen doch zu teuer oder zu riskant geworden ist, kann man immer noch auf die Kunst der alten Realpolitik zurückgreifen. Demnach würde man Putin Sonderrechte im historischen Einflussgebiet Moskaus gestatten. Als Gegenleistung für derartige Zugeständnisse müsste man aber klare Spielregeln für die neue Machtpolitik bestimmen. Natürlich würde eine derartige Strategie eine Neudefinition der europäischen Idee verlangen, denn Europa wäre erneut geteilt. Aber wenn den Europäern die eigene Bequemlichkeit wichtiger als die Freiheit der Anderen geworden ist, ist solch eine Neudefinition sowieso überfällig.

Bild: Fotalia/ OIexa

north