Meinungen - 24.01.2013 - 00:00 

Wehrpflicht in der Diskussion

Österreich hat über die Einführung eines Berufsheeres abgestimmt. Allzu viele Lehren für die eidgenössische Volksinitiative können Schweizerinnen und Schweizer wohl nicht daraus ziehen, kommentiert Peter Platzgummer.
Quelle: HSG Newsroom

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25. Januar 2013. Auch wenn beide Nachbarländer über Jahrzehnte eine allgemeine Wehrpflicht hatten, sind die Systeme sehr unterschiedlich. Während die Schweiz über eine Milizarmee mit einem Milizkader und einem extrem kleinen Anteil an Berufssoldaten verfügt, hatte Österreich zumindest in den letzten zehn Jahren eine reine «Durchdienerarmee» mit einem Berufskader. Die Miliz war zwar auf dem Papier immer ein gewichtiger Faktor, spielte aber in der Realität keine grosse Rolle. Effektiv haben in den vergangenen Jahren fast ausschliesslich Unteroffiziere und Offiziere Milizübungen durchgeführt.

Häuptlinge ohne Indianer
In Österreich wurde in diesem Zusammenhang bei Diskussionen gerne das Bild von «Häuptlingen ohne Indianer» verwendet. Daneben waren aber auch die Aufgaben unterschiedlich. Mehr als 1.300 Bundesheer Soldaten sind im Moment beispielsweise im Kosovo, in Syrien, im Libanon oder in Afghanistan. Alleine dafür braucht das Bundesheer mit Vor- und Nachbereitung mehrere tausend Mann pro Jahr.

Grosse Unterschiede zwischen Österreich und der Schweiz
Auch der Initiativtext der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) ist kaum mit jenem der österreichischen Volksbefragung zu vergleichen. Während die Österreicher über «Wehrpflicht wie bisher oder Berufsheer» abstimmen mussten, will die GSoA eine Freiwilligenmiliz, die am ehesten der U.S.-amerikanischen National Guard entspricht. Auch Österreich hatte bei der Berufsheeroption eine sogenannte Profimiliz, die ebenfalls eine Freiwilligenmiliz darstellt. Jedoch war diese (wie auch in den USA) immer nur als zusätzliche Komponente geplant.

Grosse Unterschiede gibt es beim Zivildienst. Zwar mussten in beiden Ländern Zivildiener die eineinhalbfache Dienstzeit der Soldaten leisten; der Stellenwert ist und war aber in Österreich aber ein ganz anderer. Etwa ein Drittel aller Stellungspflichtigen, mehr als 13.000 junge Männer, meldeten sich 2011 zum Zivildienst – in der Schweiz waren es etwa 5.000. Ein Grossteil der österreichischen Zivildiener wurde und wird in sozialen Berufen eingesetzt und dafür auch entsprechend geschult. Als Patient bei einem Rettungs- oder Krankentransport auf einen Zivildiener zu treffen, gehört deshalb eher zur Regel als zur Ausnahme.

Das Schweizer Budget ist nahezu üppig
Auch finanziell sind die Unterschiede in den beiden Ländern gravierend. Gespart wird meist mit Hilfe moderner Technologien. Bei einem österreichischen Verteidigungsbudget von knapp 0,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ist der Spielraum ausgereizt. Im Vergleich dazu ist das Schweizer Budget nahezu üppig. Eine Umstellung auf einzelne modernere Technologien ist im Rahmen des bestehenden Budgets nicht von vornherein ausgeschlossen.

Der Vorteil der direkten Demokratie

Ein grosses Plus für die Schweiz ist der Umgang mit der direkten Demokratie. Während in Österreich von einer mehr oder weniger sofortigen Umsetzung der beiden Möglichkeiten gesprochen wurde, weiss in der Schweiz selbst ein so eindeutiger Armeegegner wie die GSoA, dass Zeitdruck wenig dienlich ist. Der Bundesrat hätte bis zu fünf Jahre Zeit für die Umsetzung. Wie diese genau aussehen würde, lässt die Initiative offen; mit Ausnahme der Tatsache, dass die Armee deutlich kleiner ausfallen müsste.

Am eigentlichen Thema vorbei
Und doch gibt es ein paar Gemeinsamkeiten: Erstens hätte in Österreich zuerst die sicherheitspolitische Strategie und damit grundlegende Fragen zur Neutralität diskutiert werden müssen. Und auch in der Schweiz geht die Fragestellung am eigentlichen Thema vorbei. Es weiss eigentlich auch jeder, dass die «Gruppe für eine Schweiz ohne Armee» keine Freiwilligenarmee will. Zweitens ist es aufgrund der vielen Unsicherheiten schwierig, Kosten oder eine effektive Anzahl von Freiwilligen abzuschätzen. Deshalb fehlen wichtige Vergleichspunkte. Und drittens war es in Österreich eine sehr emotionale Diskussion. Darauf kann man sich auch in der Schweiz gefasst machen.

Bild: Photocase / PNetzer

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