Meinungen - 24.02.2016 - 00:00 

Wahlkampffinanzierung in den USA

Am 8. November findet in den USA die Präsidentschaftswahl 2016 statt. Bislang hat die Bundeswahlkommission (FEC) mehr als 15'000 offizielle Kandidatur-Erklärungen erhalten und direkte Kandidatenbeiträge von über 430 Millionen US-Dollar registriert. Eine Betrachtung von Dr. Scott Loren, Experte für Amerikastudien.
Quelle: HSG Newsroom

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29. Februar 2016. In der Frühphase einer langen Abfolge von Primärwahlen beläuft sich die Zahl der von ihrer eigenen Partei anerkannten Kandidaten derzeit auf sechs Republikaner, zwei Demokraten und zwei Drittpartei-Kandidaten. Derweil haben die betrieblichen Aufwendungen für deren Kampagnen die 300-Millionen-Dollar-Grenze bereits überschritten. In dieser ersten Phase der Präsidentschaftswahl kann sich die Geschwindigkeit, mit der sich die Popularität der Kandidaten bisweilen ändert, nur mit der Anzahl der Wahlkampf-Dollars messen, die den Besitzer wechseln.

Natürlich sind weder die Wankelmütigkeit der Wählermeinungen noch das Fliessverhalten des Gelds ausschliesslich dem heurigen Präsidentschaftsrennen eigen. Bis September 2012 hatten die zwei übriggebliebenen Hoffnungsträger Barack Obama und Mitt Romney je Wahlkampfgelder in der Höhe von rund einer Milliarde Dollar aufgebracht und ausgegeben, wonach der erste Afro-Amerikaner im Weissen Haus wiedergewählt wurde. Wenn es sich bei den Präsidentschaftswahlen um Überraschungselemente und hohe Geldbeträge dreht, dann unterscheidet sich der derzeitige Wahlkampf aber von früheren Wettläufen in zweierlei Hinsicht: erstens durch den gewaltigen Zufluss an nur locker regulierten Geldern durch sogenannte «Super PACs» (Politische Aktionskomitees), zweitens durch die geringe Übereinstimmung zwischen Wahlkampffinanzierung und Kandidatenbeliebtheit.

«PACs» und «Super PACs»

Politische Aktionskomitees bringen Gelder für oder gegen Kandidierende, Gesetzgebungen und ähnliche Belange auf. Es gibt sie seit den 1940er-Jahren. Sie vertreten Interessen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und anderen Gruppierungen. Ein PAC darf einem Kandidatenkomitee 5000 Dollar pro Wahlkampf und nationalen Parteikomitees und anderen PACs jährlich 15‘000 bzw. 5000 Dollar überweisen.   

Was macht die «Super PACs» super? Die teilweise Deregulierung der Finanzierung. Der Geldbetrag, den ein «Super PAC» aufbringen und ausgeben darf, untersteht keiner Beschränkung. Diese Art finanzieller Freiheit im Wahlkampf ist noch nie dagewesen, auch wenn einige spezifisch auf «Super PACs» anwendbare Einschränkungen bestehen. Gemäss Vorschriften der Bundeswahlkommission (FEC) müssen Kandidatenkomitees und «Super PACs» unabhängig voneinander arbeiten. Direktspenden an Kandidaten und Abstimmung mit Kandidatenkomitees sind verboten. Doch verschleierte Koordination zwischen Gremien ist keine Seltenheit.

«First Amendment»-Rechte

Dass sich die «Super PACs» zu einem bedeutsamen Wahlkampffinanzierungsfaktor entwickelten, war die Folge des Falles Citizens United v. Federal Election Commission vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Unter Berufung auf die First Amendment-Rechte wurde entschieden, dass die Bundesgesetzgebung die Ausgaben von Gesellschaften, Gewerkschaften oder anderen Gruppierungen für politische Kampagnen nicht einschränken dürfe. Dieser Entscheid führte während des Wahlkampfs von 2012 zu einer Welle von Geldbeschaffungsaktivitäten sowie Ausgaben in entsprechend hohen Beträgen: 2012 wurden rund 300 Millionen Dollar von Aussenstehenden (das heisst nicht von Kandidatenkomitees) gespendet, wobei 40 Prozent davon aus ungenannten Quellen stammten. Nur eine Amtszeit später erobert der Wettlauf um die Präsidentschaft nun völlig neue Dimensionen. Bis Mitte Februar vermeldeten die «Super PACs» der FEC bereits Einnahmen von mehr als 500 Millionen Dollar. Falls diese bisherige Wahlkampffinanzierung ein Anhaltspunkt für die künftige Entwicklung ist, kann noch sehr viel Geld mehr erwartet werden. 

Dieses Jahr findet die erste wichtige Runde der von den Parteien organisierten Primärwahlen am 1. März, dem sogenannten Super Tuesday, statt. Die kurz- bis mittelfristigen Auswirkungen dieses «Super-Dienstags» bringen die ungleichen Interessengruppen innerhalb einer Partei tendenziell zusammen. Infolge dessen kommt es wahrscheinlich zu einer stärkeren Konsolidierung aussenstehender Finanzierungsquellen, die sich zusammenschliessen, um die Parteifavoriten zu unterstützen. Auch wenn der Super Tuesday keine klaren (oder zutreffenden) Hinweise darauf liefern sollte, wer von der Partei für die Wahlen im November portiert wird, ist eine stärkere Konsolidierung von Mitteln aus aussenstehenden Quellen entlang der Parteilinien in den kommenden Wochen unabwendbar.

Wo ist das Geld?

Das Geld ist überall und steht scheinbar in keinem Zusammenhang mit Parteiideologien oder persönlichen Finanzverhältnissen. Demokratin Hillary Clinton besitzt derzeit die grösste Wahlkampf-Kasse, nämlich über 160 Millionen Dollar. Mehr als zwei Drittel der Finanzen Clintons stammen aus Kandidatenkomitees. Dicht gefolgt wurde sie vom Republikaner Jeb Bush, der sich mittlerweile aus dem Rennen zurückgezogen hat. Bei Bushs 155 Millionen Dollar allerdings stammten fast 80 Prozent von «Super PACs» und anderen aussenstehenden Gruppierungen.

Die republikanischen Anwärter Ted Cruz und Marco Rubio haben rund 90 bzw. 60 Millionen Dollar. Bei beiden besteht nur ein kleiner Unterschied zwischen den von aussenstehenden Quellen aufgebrachten Mitteln und den von Kandidatenkomitees überwiesenen Geldern. Zuunterst auf der Liste der Gelder aus aussenstehenden Quellen geisseln sowohl Bernie Sanders wie auch Donald Trump die Rolle dieser Art von Wahlkampffinanzierung. Da der Demokrat Sanders indes 75 Millionen Dollar an Komitee-Geldern kontrolliert und der Republikaner Trump für die Medienberichterstattung keinen Cent ausgeben muss, können sie sich dies leisten.

Nachdem Bush Anfang Februar in den republikanischen Vorwahlen von Iowa lediglich auf dem sechsten Platz landete, wurde vielerorts rasch über die Diskrepanz zwischen den für Bush ausgegebenen Millionen und seiner schlechten Platzierung gesprochen. Ein Rückschluss, der in den Analysen für einen Farbtupfer sorgte, bestand darin, dass das Geld für die Positionierung der Kandidaten gar nicht so wichtig sein dürfte wie ursprünglich angenommen – vielleicht seien die «Super PACs» letztlich doch nicht so super. Zu den aufkommenden Annahmen bezüglich der Wirksamkeit der Finanzierung gesellte sich auch die Schlussfolgerung, dass nicht das Geld der Knackpunkt war, sondern Bushs anscheinend fehlende Fähigkeit, als Präsidentschaftskandidat seine persönlichen Vorzüge in die Waagschale zu werfen.

Doch welche Auswirkungen die «Super PACs» im US-Wahlkampf 2016 letztlich haben werden, wird sich erst nach dem 8. November schlüssig analysieren lassen.

Bild: codswollop / photocase.de

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