Campus - 03.08.2017 - 00:00 

Unisport: Selbstverteidigung für Frauen

Wissen Sie, wie Sie sich im Falle eines Angriffs verhalten würden? Jedes Semester bietet der Unisport der HSG einen Selbstverteidigungskurs speziell für Frauen an. Ein Beitrag von Studentenreporterin Sophie Kwisda.
Quelle: HSG Newsroom

3. August 2017. Sophie Kwisda hat am Selbstverteidigungskurs für Frauen teilgenommen und den Leiter des Kurses, Silvio Hänsenberger, zu Handlungsempfehlungen im Falle eines Angriffs befragt.

Herr Hänsenberger, welche Möglichkeiten gibt es, die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs zu minimieren?

Silvio Hänsenberger: Es gibt verschiedene Strategien, um Situationen zu vermeiden, in denen sich ein Übergriff verwirklichen kann. Dazu zählen unter anderem die Planung und Vorbereitung: Welche Situationen bereiten mir Unbehagen und wie lassen sich diese vermeiden? Wo und wie könnte ich Hilfe erhalten, falls sich ein Übergriff abzeichnet? Oder auch ganz konkret: Wie gestalte ich meinen Nachhauseweg spät abends? Ausserdem sollte man Frühwarnindikatoren beachten: Das eigene «Bauchgefühl» kann ein wichtiger Gradmesser für gefährliche Situationen sein. Das kann sich in Unbehagen, Beklemmung, Zweifel, Zögern oder Besorgnis äussern. Es ist wichtig, auf diese Anzeichen zu achten. Distanz zum Gegenüber wahren ist ebenfalls entscheidend: Potenzielle Angreifer sollte man mit «Sie» ansprechen, dadurch kann Dritten auch signalisiert werden, dass man den Angreifer nicht kennt. Zudem sollte man räumliche Distanz wahren, um die Chancen zu erhöhen, einem Angriff auszuweichen. Schliesslich ist es wichtig, nach aussen hin ein sicheres Auftreten zu signalisieren.

Wie lässt sich sicheres Auftreten konkret zeigen?

Leider genügen einige auswendig gelernte Merksätze nicht, damit sich jemand sicherer in seinem Auftreten fühlt. Einigen Menschen helfen zum Beispiel folgende Tipps, damit ihr Auftreten zumindest nach aussen hin sicherer wirkt: Aufrechte Haltung beim Gehen, sich zielgerichtet bewegen, nicht alleine unterwegs sein und sich alle Handlungsoptionen bewusst machen.

Oft fühlt man sich sicherer, wenn man im Vorhinein weiss, wie man sich im Falle eines Übergriffs verhalten würde. Gibt es Möglichkeiten, die eigene Reaktion kennen zu lernen?

Leider ist dies nur beschränkt möglich. Es ist schwierig, im Voraus abzuschätzen, wie man selbst in einer realen Situation eines Übergriffes reagieren würde. Zwar versuchen wir in unserem Selbstverteidigungskurs, Angriffs-Situationen nachzustellen, jedoch lassen sich Faktoren wie Beklemmung und Angst, die jemanden bei einem realen Angriff lähmen könnten, kaum simulieren.

Falls man nun angegriffen wird, welche bewährten Möglichkeiten gibt es, sich zu wehren?

Treten, Schlagen, lautes Schreien, An-den-Haaren-Ziehen und Beissen sind definitiv bewährte Methoden, sich zur Wehr zu setzen. Die Gegenwehr kann dem Opfer auch helfen, die Tat im Nachhinein besser zu verarbeiten und die Beweisführung zu erleichtern. Selbstverständlich muss die Gegenwehr rechtmässig und verhältnismässig sein. Pfefferspray ist ebenso eine Möglichkeit, sich dem Angriff zu widersetzen, jedoch bietet es nicht in jeder Situation den Schutz, den sich viele davon versprechen. Die Handhabung eines solchen Abwehrinstruments muss geübt werden, etwa um Eigenkontamination zu vermeiden. Ebenso ist ein solches Spray, das nicht sofort greifbar ist, zum Beispiel in einer Handtasche, nutzlos. Zudem können Pfeffersprays gegenüber Angreifern, die gegenüber dem Wirkstoff resistent sind, etwa aufgrund langjähriger Ernährungsgewohnheiten oder Drogeneinfluss, wirkungslos bleiben.

Wie hoch sind die Chancen, bei einem Angriff unbescholten davon zu kommen?

Kommt es zu einem tätlichen Angriff, sind in vielen Fällen leichte Verletzungen wie Prellungen oder Abschürfungen nicht zu vermeiden, auch wenn man sich wehrt. Deshalb ist es so wichtig, gar nicht erst in solche Situationen hineinzugeraten. Um einem physischen Angriff zu entkommen, ist Gegenwehr zentral. Das zeigt auch eine Untersuchung der Polizei Hannover. Demnach konnten sich in den untersuchten Fällen über 80 Prozent der Frauen, die Ziel eines tätlichen Angriffs eines körperlich überlegenen Angreifers waren, mit massiver Gegenwehr befreien.

Welche Schritte sind nach einem Angriff empfehlenswert?

Grundsätzlich gilt es, nach einem Angriff die Polizei zu informieren, am Tatort bis zum Eintreffen der Polizei nichts zu verändern, Zeugen anzusprechen und nach Kontaktinformationen zu fragen, Anzeige zu erstatten und schliesslich nicht davor zurückschrecken, zur Verarbeitung der Tat professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.  Nach einer Tat kann es für viele auch wichtig sein, zunächst einmal eine Vertrauensperson einzuweihen, die bei den weiteren Schritten hilft. Zu empfehlen ist es auch, den Tathergang möglichst rasch nach der Tat detailliert schriftlich festzuhalten, um spätere Widersprüche zu vermeiden.


Neben dem Beratungsangebot «Beratung in schwierigen Situationen» der Universität St.Gallen leisten auch Opferberatungsstellen in verschiedenen Kantonen Hilfe. Eine Liste der unterschiedlichen Beratungsangebote in den Kantonen findet sich auf der Webseite der Opferhilfe Schweiz.

Auch dieses Herbstsemester findet der Selbstverteidigungskurs für Frauen an der Universität St.Gallen statt.

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