Forschung - 12.01.2023 - 10:54 

«Um dem Klimawandel entgegenzuwirken, müssen Startups und grosse Unternehmen zusammenarbeiten»

Der HSG-Doktorand Lukas Falcke hat untersucht, wie Startups und Energieversorger Innovationen im Kampf gegen den Klimawandel entwickeln. Die Ergebnisse seiner Doktorarbeit, deren Co-Autor:innen die HSG-Professorin Ann-Kristin Zobel und Stephen Comello vom Thinktank Energy Futures Initiative und ehemals Stanford Graduate School of Business sind, zeigen: Wenn kleine und grosse Unternehmen ihre Stärken kombinieren, kann nachhaltige Innovation beschleunigt werden.
Quelle: HSG Newsroom
Aerial windmills at sunset with sun rays producing sustainable energy on the Alberta prairies in Canada.

«Um die Folgen des Klimawandels so weit wie noch möglich aufzuhalten, müssen innert kurzer Zeit komplett neue technische Lösungen und Industrien entstehen. Mich interessiert, wie dieser wahrscheinlich grösste wirtschaftliche Wandel aller Zeiten funktionieren kann», sagt Lukas Falcke. Der 27-Jährige hat in seiner Doktorarbeit am Institut für Betriebswirtschaftslehre (IFB) an der HSG untersucht, wie etablierte Energieversorger und Cleantech-Startups zusammenarbeiten, um technische Lösungen für den Kampf gegen den Klimawandel zu entwickeln. «Einzelne Firmen sind oft überfordert von der Komplexität heutiger Problemstellungen. Es braucht sowohl die schnelle und innovative Arbeit der kleineren Firmen als auch die Infrastruktur von Grossunternehmen», sagt Falcke. 

Ein bekanntes Beispiel für eine gelungene kollaborative Innovation sei die Entwicklung der Covid19-Impfung von Pfizer/Biontech im Jahr 2020: Der Pharmakonzern Pfizer stellte dafür die Produktions- und Distributionsanlagen zur Verfügung, die im Vergleich kleine Firma Biontech lieferte die mRNA-Technologie. «Diese Zusammenarbeit war der Schlüssel zur Geschwindigkeit, mit der die Impfung entwickelt und produziert wurde», sagt Falcke. 

Die gemeinsame und schnelle Entwicklung neuer technologischer Lösungen werde unter anderem durch die weltweit schnell steigende Menge an Daten möglich, sagt Falcke. «Wir haben aktuell eine interessante Konstellation: Einerseits müssen wir unsere Wirtschaft exponentiell - das heisst extrem schnell - dekarbonisieren. Andererseits nimmt die Verfügbarkeit von Daten ebenfalls exponentiell zu.» Dieses Zusammenkommen eröffne Möglichkeiten, kollaborative Innovation neu zu denken – sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis.

Auch Grossunternehmen müssen neue Rollen finden

Für seine Doktorarbeit mit dem Titel «Collaborative Innovation in the Context of Emerging Digital Technologies and the Fight against Climate Change» untersuchten Falcke und seine Co-Autoren die Zusammenarbeit von zehn grossen, global tätigen Energieversorgern sowie 57 etablierten Cleantech-Startups. Letztere haben mittlerweile zwischen 50 und 300 Mitarbeitende und sind solide finanziert. Falcke interviewte insgesamt rund 90 Vertreter der Energieversorger, der Startups sowie Investoren und Experten. Zudem beobachteten er und seine Co-autoren während über 290 Stunden in digitalen Meetings den Austausch zwischen Energieversorgern und Startups und hatte Einsicht in vertrauliche Unterlagen.

«Natürlich spielt bei dieser Zusammenarbeit die persönliche Ebene eine wichtige Rolle. Es sind zu Beginn zwei Kulturen, die in solchen Verhandlungen aufeinanderprallen», sagt Falcke. Die persönlichen Beziehungen, die mit der Zeit entstehen, seien aber nur eine Ebene von funktionierenden Kollaborationen. Weiter müssten sowohl Energieversorger als auch Startups das im Austausch entwickelte Wissen in Entwicklungs- und Produktionsprozesse integrieren. «Längerfristig führt diese Art der Zusammenarbeit zur Neuausrichtung von wirtschaftlichen Ökosystemen», sagt Falcke. Das bedeutet im Energiebereich etwa: Auch die Energieversorger müssen neue Rollen finden, da diese in der Energiewende auch auf die Technologien von Startups angewiesen sind. «Daneben wird sich die Art, wie Unternehmen und Institutionen in verschiedensten Branchen Probleme lösen, durch kollaborative Innovation stark verändern.» Firmen würden künftig nicht mehr in erster Linie nach Kompetenzen innerhalb ihrer Organisation, sondern innerhalb ihres Netzwerks suchen. 

Von der HSG als Professor nach Amsterdam


Seinen Doktortitel von der HSG wird Falcke im Frühjahr 2023 erhalten. Zur öffentlichen Verteidigung der Arbeit nutzte er die digitale Infrastruktur im SQUARE: Seinen Co-Autoren Stephen Comello  von der EFI Foundation and Stanford Graduate School of Business schaltete er aus Kalifornien live zum Referat dazu, die HSG-Professorin Ann Kristin Zobel, ebenfalls Co-Autorin, und Christopher Tucci, Koreferent der Dissertation und Professor am Imperial College London, waren vor Ort im SQUARE. 

Nach der erfolgreichen Verteidigung im Juli ging es schnell: Falcke wurde als Assistenzprofessor ans KIN-Center for Digital Innovation der Freien Universität Amsterdam berufen, wo er seit September arbeitet. Er lehrt und forscht unter anderem zu nachhaltiger Innovation und aufkommenden Technologien im Businessbereich.

Zudem forscht Falcke weiterhin mit Ann-Kristin Zobel am HSG-Institut für Betriebswirtschaft (IfB-HSG) an Netto-Null-Strategien für Unternehmen. «Ich beschäftige mich ja mit Schnittstellen zwischen den Themen Nachhaltigkeit, Technologie und Wirtschaft. Für diese fachübergreifende Forschung waren das IFB und die HSG ein ideales Umfeld», sagt Falcke, der vor seinem HSG-Doktorat an der ETH Zürich einen Master in Management, Technology and Economics absolviert hat. So habe seine Doktormutter, Ann-Kristin Zobel, ihm ideale Forschungsbedingungen geschaffen und auch der Austausch mit Forschenden der HSG-Institute für Wirtschaft und Ökologie (IWÖ-HSG), für Wirtschaftsinformatik (IWI-HSG) und Technologie-Management (ITEM-HSG) habe immer wieder Inputs für seine eigene Arbeit geliefert.   
 

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