Veranstaltungen - 06.06.2018 - 00:00 

Tagung Engendering Academia

Was muss sich im akademischen Umfeld verändern, damit Frauen die gleichen Karrierechancen haben wie Männer? Dieser Frage gingen Forschende bei der Tagung «Engendering Academia: Emotions, Strategies and Alternatives» nach.
Quelle: HSG Newsroom

6. Juni 2018. Das Interesse an der Tagung war so gross, dass die Organisatorinnen den Konferenzort in einen grösseren Raum verlegen mussten. Sie freue sich sehr über die grosse Teilnehmerzahl, erklärte Prorektorin Ulrike Landfester in ihren Begrüssungsworten. Sie sei gespannt auf die Erkenntnisse der Tagung, denn auch die Universität St.Gallen habe Nachholbedarf, wenn es um Nachwuchswissenschaftlerinnen in Spitzenpositionen gehe.

Die Lage der Frauen in der Akademie

Was zeichnet heutige Arbeit und Karriereverläufe an der Universität in Europa und in der Schweiz aus? Welche Gefühlsregime kennzeichnen die heutige akademische Welt und in welcher Weise beeinflussen sie die akademische Arbeit? Welche feministischen Strategien und Alternativen können ethischere, respektvollere und freiere Räume für Lehre, Forschung und Schreiben ermöglichen? Diese Fragen diskutierten Fachleute aus der Schweiz, Deutschland, Italien und Holland. Auf dem Programm standen Panels, Vorträge, persönliche Erfahrungsberichte, Runde Tische und eine Filmvorführung.

Den Auftakt machte ein Gespräch mit Andrea Maihofer und Franz Schultheiss. Andrea Maihofer erwarb sich als Leiterin des Gender-Graduiertenkollegs an der Universität Basel und als Mitglied der Marie-Heim-Vögtlin Stiftung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) vielfältige Erfahrungen in der akademischen Nachwuchsförderung. Franz Schultheis, Professor für Soziologie an der Universität St.Gallen, brachte als ehemaliger Kommissionspräsident der Gleichstellungskommission des SNF und als Betreuer einer grossen Zahl von Doktoraten und Habilitationen ebenfalls ein breites Wissen zum Thema ein. Moderiert wurde das Gespräch von Tina Sturm, die zurzeit an der Universität St.Gallen ein wissenschaftliches Projekt zur Situation der Studentinnen auf der Assessment-Stufe durchführt.

Frauen müssen mehr leisten

Die erste Frage an die beiden Gesprächsteilnehmenden lautete, wie sie die Situation der Frauen in der Schweizer Akademie beurteilen. In den letzten Jahren habe sich einiges verbessert, erklärte Andrea Maihofer. Wertvolle Netzwerke seien entstanden und wichtige Gefässe, die sich mit dem Thema befassten. Heute gebe es mehrere Programme, die Frauen in der akademischen Karriere unterstützten. Dennoch müsse die Diskussion rund um Gleichberechtigung und Chancengleichheit intensiv weitergeführt werden. «Noch immer besteht eine gewisse Skepsis gegenüber Frauen in der Wissenschaft. Wie in allen anderen Berufen müssen auch die Wissenschaftlerinnen mehr leisten als ihre männlichen Kollegen, um Karriere zu machen», betonte die Professorin.

Andrea Maihofer sprach auch die zunehmende Arbeitsbelastung an den Universitäten an. Die berufliche Vereinnahmung mache es den Frauen noch schwerer, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Dies treffe aber auch auf Männer zu, die sich als Väter an der Familienbetreuung beteiligen wollten. Doch müssten viele Frauen auch stärker über ihre Berufsentwicklung nachdenken. «Mir fällt immer wieder auf, dass sie zwar die Mutterschaft nicht mehr so stark wie früher idealisieren, sich aber trotzdem primär für die Kindererziehung verantwortlich fühlen. Selbst wenn ihre Männer bereit sind, Verantwortung in der Familienbetreuung zu übernehmen, konzentrieren sie sich auf die Mutterrolle. Damit stellen sie sich selbst eine Falle.»

Ausgrenzung und Selbstausgrenzung

Seine Erfahrungen in der Gleichstellungskommission des SNF hätten gezeigt, dass Frauen nicht nur von Ausgrenzung, sondern auch von Selbstausgrenzung betroffen seien, betonte Franz Schultheiss. Eine frühere Untersuchung habe ergeben, dass sie viel weniger Forschungsprojekte einreichten als Männer. «Ausserdem treten junge Wissenschaftler um einiges forscher auf. Frauen geben sich meistens zurückhaltender.» Und noch immer erklärten viel mehr Männer als Frauen, sie strebten eine Führungsrolle im Beruf an. Rege Zustimmung erhielt das Votum einer Tagungsteilnehmerin. Sie regte an, die Frage nach den gleichwertigen Karrierechancen in der Akademie nicht zu eng zu denken. Um die Gleichberechtigung zu erreichen, müsse das Thema in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext gestellt werden.

Breiten Raum nahm an der Konferenz auch die Beleuchtung der Arbeits- und Lebensweisen von Wissenschaftlerinnen ein. So hielt beispielsweise Christa Binswanger von der Universität St.Gallen einen Vortrag über den Umgang mit Emotionen im akademischen Werdegang. «Lähmende Gefühlslagen wie Scham, Depression oder Unbehagen sind präsent im akademischen Alltag, auch wenn sie wenig Akzeptanz erfahren und weiblich kodiert werden», erklärte sie. Sie zeigte Wege zu alternativen Strategien und Formen der Koalitionsbildung in der Akademie auf.

Bild: Photocase / Femme Curieusse

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