Campus - 11.06.2020 - 00:00 

Stellungnahme der HSG Law School zu Medienberichten und einer parlamentarischen Anfrage betreffend einem Berufungsverfahren an der Universität St.Gallen (HSG)

Das Verfahren zur Berufung einer neuen Professorin bzw. eines neuen Professors für Privatrecht mit Schwerpunkt ZGB an der HSG hat in den Zeitungen der CH Media mehrfach zu Berichten geführt, in den sozialen Medien grosse Aufmerksamkeit erlangt und jüngst zu einer Frage in der Fragestunde des Bundesrats geführt. Dabei ist teilweise der Eindruck entstanden, das Verfahren sei nicht mit der gebotenen Objektivität und Fairness geführt worden und der Entscheid hätte zu Gunsten einer gleich oder besser qualifizierten Frau fallen müssen.
Quelle: HSG Newsroom

11. Juni 2020. Die Universität St.Gallen (HSG) informiert in der Regel nicht über einzelne Berufungsverfahren, da sie das Beratungsgeheimnis der zuständigen Entscheidgremien beachtet. Nur so können die Gremien ohne äusseren Druck und nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Sodann gilt es die Persönlichkeitsrechte derjenigen Personen zu schützen, die in einem Auswahlverfahren nicht obsiegen. Im vorliegenden Fall besteht indes ein grosses öffentliches Interesse an zusätzlichen Informationen. Die Universität weist im Übrigen darauf hin, dass sie vor den jüngsten Medienberichten keine Gelegenheit zur Stellungnahme erhielt und auch vor Einreichung der Frage an den Bundesrat nicht kontaktiert wurde. Auf ein dem Verein Juristinnen Schweiz unterbreitetes Gesprächsangebot hat dieser nie reagiert.

1. Klarer Entscheid zu Gunsten von Martin Eggel

Die HSG hat sich mit Martin Eggel für einen herausragend qualifizierten Juristen entschieden und freut sich auf dessen Stellenantritt am 1. September 2020. Martin Eggel wurde 1985 in Brig geboren und studierte an der Universität Bern, wo er 2013 eine Dissertation verfasste, die mit summa cum laude bewertet und mit zwei namhaften Preisen ausgezeichnet wurde (Eduard Adolf Stein-Preis und Professor Walther Hug Preis). Nach Tätigkeit in Advokatur und Justiz erfolgte 2015 die Patentierung zum Rechtsanwalt. 2017 graduierte er mit Auszeichnung (with distinction) als Master of Laws an der Georgetown University (Washington, DC). Martin Eggels Habilitationsschrift zum Thema „Begründung der Unterscheidung von Sachen- und Schuldrecht“ steht kurz vor dem Abschluss, wovon sich die Berufungskommission überzeugen konnte. Martin Eggel verfügt ausserdem über einen beeindruckenden Publikationsausweis und er konnte die Berufungskommission in einem äusserst inspirierenden Fachvortrag von seinen wissenschaftlichen und didaktischen Fähigkeiten überzeugen. Martin Eggel entsprach daher am besten dem ausgeschriebenen Profil und die Berufungskommission entschied sich einstimmig für ihn. Dennoch fiel der Berufungskommission dieser Entscheid nicht leicht. Denn die HSG will den Frauenanteil in der Professorenschaft bis 2025 auf 30% anheben – die Law School will diese Marke bereits 2022 erreichen. Aus diesem Grund hätten wir uns sehr gerne für eine Frau entschieden und haben hierfür zahlreiche Anstrengungen unternommen.

2. Allgemeine Vorbemerkung zum Ablauf von Berufungsverfahren

Die Berufungskommission trifft sich zu zwei Vorbereitungssitzungen. In der ersten Sitzung wird das Stelleninserat besprochen und es wird eine Liste möglicher Kandidatinnen erstellt, die aktiv auf das Stelleninserat hingewiesen werden. In der zweiten Sitzung werden die eingegangenen Bewerbungen gesichtet, bewertet und es wird entschieden, wer für Berufungsvorträge eingeladen wird. Am eigentlichen Berufungstag halten die Kandidatinnen und Kandidaten einen universitätsöffentlichen Fachvortrag von 20 Minuten mit 15 Minuten Diskussion. Anschliessend folgt ein Interview von 30 Minuten, bei dem nur die Berufungskommission anwesend ist. Am Tag der Berufungsvorträge finden zusätzlich mit den Kandidatinnen und Kandidaten Treffen mit einer studentischen Begleitgruppe statt. Die Studierenden unterhalten sich mit den Kandidatinnen und Kandidaten zu den Themen Lehre und Betreuung. Ausserdem haben die Kommissionsmitglieder die Möglichkeit, die Kandidatinnen und Kandidaten im Rahmen von informellen Abendessen am Vortag kennenzulernen. Am Ende des Berufungstages findet jeweils die Nominationssitzung statt, bei der sich die Kommission üblicherweise auf einen Einervorschlag einigt. Dieser muss anschliessend von der Abteilungsversammlung, vom Senat, vom Universitätsrat sowie von der Regierung genehmigt werden. Entsprechend ist auch das vorliegende Verfahren abgelaufen. Die Regierung hat die Wahl am 24. Februar 2020 genehmigt. Gegen diesen Entscheid ist innert Frist weder eine Beschwerde noch eine Klage wegen Verletzung des Gleichstellungsgesetzes eingereicht worden.

3. Anstrengungen der HSG zur Rekrutierung von Professorinnen

Bei der Zusammensetzung von Berufungskommissionen wird auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geachtet. Auch die betroffene Berufungskommission war ausgeglichen zusammengesetzt: Der Vorsitz (Abteilungsvorsteher ex officio) war männlich, ausserdem gehörten der Kommission 5 Frauen und 3 Männer in den ersten beiden Sitzungen an, in der dritten Sitzung waren es dann 4 Frauen und 4 Männer. Der Wechsel in der Zusammensetzung gründet in einer kurzfristigen Verhinderung der Vertreterin der Studentenschaft, die dann (von der Studentenschaft) durch einen Mann ersetzt wurde; auf die Vertretung der Studentenschaft hat die Universität keinen Einfluss. Die beiden externen Sachverständigen, denen erfahrungsgemäss ein besonderes Gewicht zukommt, waren in diesem Fall zwei Frauen, eine Ordentliche Professorin der Universität Fribourg und eine Ordentliche Professorin der Universität Luzern. Die studentische Begleitgruppe – die sich ebenfalls klar für Martin Eggel aussprach – setzte sich aus fünf Studentinnen und einem Studenten zusammen.

Im Berufungsverfahren sind 17 Bewerbungen eingegangen, 11 davon von Männern, 6 davon von Frauen. Die Evaluation von Frauenkandidaturen wurde sowohl im Online-Bewerbungstool als auch in der Sitzung vorgezogen. Im Online-Tool wurden zuerst die Bewerbungen von Frauen freigeschaltet, erst nachdem die Kommissionsmitglieder diese bewertet hatten, wurden die Männer für sie sichtbar. In der Kommissionsitzung wurden ebenfalls zuerst die Dossiers der Frauen diskutiert. Es wurde eine Rangliste erstellt, auf der zuerst drei Kandidatinnen genannt wurden. Erst im Anschluss wurde die Rangliste mit zwei Kandidaten ergänzt. Die Dossiers der Männer und Frauen wurden nach einem vorgegebenen Kriterienkatalog bewertet. Kriterien sind: Forschung; Ausbildung und Lehre; Führungsqualitäten; Drittmittelbeschaffung; Akademische Selbstverwaltung; Aussenwirkung. Wir haben die Nummern 1-3 der Frauenliste eingeladen sowie die Nummern 1 und 2 der Männerliste.

Trotz dieser Anstrengungen hat im vorliegenden Verfahren Martin Eggel obsiegt. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes ist es uns leider nicht möglich, im Einzelnen darzulegen, weshalb die weiblichen Kandidatinnen nicht im gleichen Masse überzeugen konnten. Dass die zur Rekrutierung von Professorinnen ergriffenen Massnahmen insgesamt aber ihre Wirkung zeigen, machen andere Berufungsverfahren an unserer Universität deutlich. So liegt der Frauenanteil bei Neuberufungen gesamtuniversitär inzwischen bei 44% (bei rund 30% Bewerbungen von Frauen). Auch wenn die HSG grosse Anstrengungen zur Erhöhung des Frauenanteils in der Professorenschaft unternimmt, ist es mit dem Anspruch einer Universität nicht zu vereinbaren, fachlich besser qualifizierte Männer von einem Berufungsverfahren auszuschliessen oder nicht zu wählen.

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