Hintergrund - 24.03.2021 - 00:00 

START Summit x Hack 2021: persönliche Einblicke von Unternehmer:innen

Das Programm des zweiten Tages des diesjährigen START Summit zeichnete sich durch eine grosse Vielfalt hinsichtlich der Themen und Referent:innen aus. Die vorwiegend aus dem Unternehmerbereich stammenden Hauptredner:innen berichteten bereitwillig über ihre persönlichen Herausforderungen in der Geschäftswelt.
Quelle: HSG Newsroom

24. März 2021. Der zweite Tag der Online-Ausgabe des START Summit 2021 setzte das abwechslungsreiche Programm fort, das die Studierenden der Universität St.Gallen zusammengestellt hatten. Markus Witte, Gründer der deutschen E-Learning-Plattform Babbel gab ganz offen zu: «Ich war kein sehr ehrgeiziger Schüler.» Dennoch schloss er ein Studium ab und gründete 2007 die weltweit erste Sprachlern-App. Sein Rat an angehende Unternehmer lautete: «Findet Stärke, da wo eure Schwächen liegen.» Wird man zum Unternehmer geboren oder gemacht? «Viele stolpern einfach hinein. Ich glaube nicht, dass wir das Unternehmertum in unseren Genen tragen.»

Guter Rat aus Indien

Das Tagesprogramm bot zudem zwei Referenten, die nicht als Unternehmer tätig sind, sondern für zwei der gefragtesten Firmen im Bereich SaaS arbeiten: Rajalakshmi «Raji» Srinivasan, Director Product Management bei Zoho Corporation, gab in ihrer sehr persönlichen Rede gute Ratschläge hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit – ein sehr wichtiger Aspekt, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Zudem riet sie Nachwuchskräften, für Herausforderungen offen zu sein: «Betrachtet es als eine Gelegenheit, an Aufgaben zu wachsen. Während meiner 21 Jahre bei Zoho lernte ich ständig hinzu. Lernt nicht nur von Vorgesetzten, sondern auch von Kollegen und euch unterstellten Mitarbeitern.»

Rajalakshmi “Raji” Srinivasan
Raji Srinivasan rät: «Nehmt Herausforderungen an, wenn ihr erfolgreich sein wollt!»

Christopher O'Donnell, Chief Product Officer von Hubspot, wurde von HSG-Absolvent Andreas Goeldi befragt, einem der ersten Kunden des Unternehmens. Das von zwei MIT-Absolventen gegründete Softwareunternehmen Hubspot gilt als eine der grössten SaaS-Erfolgsgeschichten. Das äusserst kundenorientierte Unternehmen basiert auf der Idee des «Inbound-Marketing», wie Christopher O'Donnell in einem kürzlichen Blogbeitrag erläuterte «Kundenzufriedenheit ist das A und O.» Zudem scheint das Unternehmen sehr von seiner Kultur zu profitieren. «Bei uns wird Eigenverantwortung gross geschrieben, wobei unsere Kundenbetreuer eigenständig Entscheidungen treffen.» Zudem berichtete er: «Einige Softwareentwickler behaupten, sie hätten bei Hubspot in 48 Stunden mehr Code an Kunden geliefert als anderswo in drei Jahren.»

Christopher O’Donnel & Andreas Goeldi
Christopher O'Donnel und Andreas Goeldi zeigten sich als begeisterte Fürsprecher von Hubspot.

Umgang mit Ungewissheit

Jay Kreps, Mitbegründer und CEO von Confluent, sprach über Kafka – allerdings nicht über den berühmten Schriftsteller, sondern über die äusserst beliebte Open-Source-Infrastruktursoftware. In Zeiten von Big Data nimmt die Bedeutung von Anwendungen wie Apache Kafka ständig zu. «Kafka richtet sich auf Daten in Bewegung statt auf ruhende Daten», so Jay Kreps. Er gründete Confluent, um auf Kafka basierte verwaltete Cloud-Dienste für Unternehmen anzubieten. Anfangs war er weniger erfolgreich. «Obwohl wir begeistert waren, konnten wir keine Interessenten gewinnen.» Schliesslich nutzten Unternehmen wie Uber und Netflix es als Kernsystem, was zur Bekanntheit von Confluent beitrug. Derzeit verdoppelt sich die Anzahl der Nutzer in etwa jährlich. «Der Aufbau eines Unternehmens war schwieriger als ich gedacht hatte, da anfangs niemand an die Idee glaubt.» Jay Kreps brauchte über ein Jahr, um mental mit der Unsicherheit fertigzuwerden.

Jay Kreps & Matt Cohler
Jay Kreps verglich die Unsicherheit der Anfangszeit eines Start-ups mit dem Pokerspiel:  «Man kann mit einem guten Blatt verlieren, aber auch mit einem schlechten Blatt gewinnen.»

Serienunternehmerin Anna Alex (Planetly, Outfittery) sprach über die Aspekte Sinn und Profit und darüber, wie man beides verbindet. Ihr neues Unternehmen Planetly bietet digitale Werkzeuge, die Unternehmen helfen, ihre CO2-Bilanz zu verbessern.  «Nachhaltigkeit wird so wichtig wie Digitalisierung», betonte sie in Anlehnung an eine These des diesjährigen Weltwirtschaftsforums. Sie geht davon aus, dass klimaneutrale Unternehmen zur Norm werden, bedingt durch den von Arbeitnehmern, Kunden, Investoren, Kosten und Bestimmungen ausgeübten Druck. «Wenn ihr ein grosses Ziel verfolgt, es aber nicht skalieren könnt, werdet ihr nur wenig erreichen.» Deshalb plädierte sie dafür, grosse Zielsetzungen mit einem soliden Geschäftsmodell zu kombinieren.

Zuerst zählt die Motivation – Fähigkeiten kann man vermitteln

Tim Stracke, Co-CEO von Chrono24, wurde von Fabian Tausch befragt, der seit seinem 19. Lebensjahr seinen Jungunternehmer-Podcast betreibt. Chrono24 ist ein führender Marktplatz für Luxusuhren mit einem Geschäftsvolumen von rund zwei Milliarden Euro jährlich. «Wir sind eines der wenigen verbraucherorientierten deutschen Technologieunternehmen mit derart beherrschender Marktstellung.» Nachdem sein vorheriges Marktplatz-Unternehmen gescheitert war, wollte er etwas tun, was ihm gefällt. Anstatt mit Chrono24 zu konkurrieren, erwarb er das Unternehmen nach einjährigen harten Verhandlungen. Seiner Ansicht nach besteht eine der grössten Herausforderungen für Start-up-Unternehmen darin, passende Mitarbeiter zu finden. Er rät: «Was bei der Einstellung zählt, ist die Motivation – Fähigkeiten kann man vermitteln.»

Umkehrung des Ertragsmodells

Die Auswirkungen der digitalen Transformation auf Medienkanäle wurden von Felix Graf vorgestellt, CEO der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). Das traditionsreiche Medienunternehmen hat genau wie die gesamte Branche eine tiefgreifende Wandlung durchlaufen. Auch wenn die Medien weiterhin ihre wichtige Funktion als vierte Gewalt ausüben, mussten sie ihr traditionelles Geschäftsmodell ändern, als Werbeeinnahmen vermehrt an Unternehmen wie Google, Facebook usw. flossen. Die NZZ änderte ihre Strategie 2014 und konzentriert sich seitdem zunehmend auf ein Abonnement-Modell. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten machen Abonnements nun rund 80 Prozent des Gesamtertrags aus, auch bedingt durch einen kürzlichen Anstieg aufgrund der Pandemie. «Um hierbei erfolgreich zu sein, benötigt man einen breiten Kundenstamm und muss sich an den Interessen der Kunden orientieren. Man muss Themen ansprechen, die die Menschen interessieren und gleichzeitig eine eindeutige Haltung zeigen.»

Felix Graf
Felix Graf zeigte, wie die Werbeeinnahmen in den letzten 20 Jahren eingebrochen sind. Doch die NZZ scheint die richtige Strategie gefunden zu haben, um damit umzugehen.

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