Meinungen - 05.02.2014 - 00:00 

Sicherheitskonferenz in München

Zur 50. Internationalen Sicherheitskonferenz versammelten sich Ende Januar 2014 Experten aus aller Welt in München. HSG-Professor James Davis über Entstehungsgeschichte und Wirkung des sicherheitspolitischen Forums.
Quelle: HSG Newsroom

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6. Februar 2014. Was in der Weltgemeinschaft der Aussen- und Sicherheitspolitik Rang und Namen hat, traf sich zur 50. Münchner Sicherheitskonferenz. Wie sich dies an einem 50-Jahr-Jubiläum geziemt, wurde recht ausgiebig Rückschau gehalten, und zwar insbesondere auf das Leben und Vermächtnis des Konferenzgründers, Baron Ewald von Kleist. Als Mitglied der von Graf von Stauffenberg angeführten Verschwörung gegen Hitler entkam Kleist wie durch ein Wunder der Hinrichtung, nachdem das Attentat auf Hitler misslungen war. Er verschied letztes Jahr im Alter von 90 Jahren.

Die erste Wehrkunde, wie die Konferenz damals hiess, begann mit einer Präsentation über Atomwaffen von einem 40jährigen Harvard-Professor namens Henry Kissinger, zu dem sich ein etwas älterer Lokalpolitiker aus Hamburg namens Helmut Schmidt gesellte. Fünfzig Jahre später standen Kissinger und Schmidt wiederum auf dem Programm, während die Welt nach wie vor versucht, mit den Folgeerscheinungen der Nuklearwaffen ins Reine zu kommen: Nicht umsonst beschäftigte sich die Schlusssitzung der Münchner Sicherheitskonferenz mit den laufenden Bemühungen zur Einstellung des iranischen Atomprogramms. Allerdings dürfte die Themenkontinuität eher Schein als Wirklichkeit sein: Auf dem Gebiet der internationalen Sicherheit hat die Welt im Verlauf der vergangenen fünf Jahrzehnte einen gewaltigen Wandel durchgemacht.

Pläne im Iran und in der Ukraine
Obwohl das iranische Atomprogramm eine ernsthafte Bedrohung der regionalen Stabilität darstellt und die Nachbarn berechtigterweise Angst davor haben, ist der Weltfrieden weit weniger existentiell bedroht, als er es 1963 durch die gewaltigen Atomwaffenarsenale der rivalisierenden Supermächte war. Auch wenn die Bedrohung tatsächlich besteht, ist der Iran in einem gewissen Sinne ein einfaches Problem. Schliesslich wissen wir, mit wem wir es zu tun haben und was für Verhaltensweisen wir verändern wollen.

Dasselbe kann über die gegenwärtige Krise in der Ukraine gesagt werden. Zwar diskutierten die Teilnehmer sowohl auf der Bühne als auch in den Korridoren der Konferenzhotels die Umrisse einer wirkungsvollen Strategie für die Unterstützung der demokratischen Kräfte in deren Bemühungen, der Bevölkerung des Landes die Herrschaft über ihr eigenes Schicksal zu sichern, doch die Krise in der Ukraine wirft keinerlei konzeptionelle Herausforderungen auf. Schliesslich hat das Bestreben Moskaus, seinen Nachbarn die Aussen- und Innenpolitik aufzuoktroyieren, eine lange und hinlänglich bekannte Geschichte.                                                                                                                                                       

Unbeständige Rahmenbedingungen

Was die heutige Welt von der Welt vor 50 Jahren jedoch gänzlich unterscheidet, ist das Aufkommen von Sicherheitsherausforderungen, die nicht mehr in einen gängigen konzeptionellen Rahmen passen. Wie die Krisen im Iran und in der Ukraine klar herausstellen, sind zwischenstaatliche Konflikte auch heute noch an der Tagesordnung. In den sechziger Jahren besassen jedoch die meisten Staaten weiterhin ein legitimes Gewaltmonopol, während der transnationale Terrorismus so gut wie unbekannt war und die Begriffe «Internet» und «Cyberspace» noch gar nicht existierten.

Im Gegensatz zu den Iran- und Ukraine-Krisen besitzen wir noch keinen konzeptionellen Rahmen, der uns die Entwicklung einer wirksamen Strategie zur Bewältigung dieser neuen Sicherheitsherausforderungen ermöglichen würde.

Die gegenwärtige Katastrophe in Syrien ist ein Beispiel dafür. Falls das Problem lediglich darin bestünde, sich auf die Seite des Diktators oder einer rechtmässigen syrischen Opposition zu schlagen, hätte diese Krise schon vor zwei Jahren überwunden werden können. Doch wer für Assads Gegner Partei bezieht, verbündet sich nicht nur mit der rechtmässigen Opposition, sondern auch mit genau jenen Kräften des transnationalen islamistischen Fundamentalismus, die den Westen angegriffen und die Region zwischen Nordafrika und dem indischen Subkontinent destabilisiert haben.

Die durch die Cyberspionage ausgelöste Krise in den transatlantischen Beziehungen zwischen Grossbritannien und den Vereinigten Staaten ist ein weiteres Beispiel. Was für eine Rolle spielt das Internet? Ist es eine Datenautobahn, der man eine Verkehrspolizei verpassen sollte, eine Waffe oder ein Raum für geopolitische Konflikte?

Bestenfalls kann die Münchner Sicherheitskonferenz nicht nur solche Fragen aufwerfen, sondern auch verschiedensten Experten eine Diskussionsplattform für potentielle Antworten bieten. In dieser Hinsicht ist sie denn auch unverzichtbar geworden.

Für eine sicherere Zukunft
Wenn wir uns indes vorstellen, es wäre uns gelungen, den heutigen Sicherheitsherausforderungen angemessene Rahmenkonzepte zu entwickeln: Könnten wir uns dann alle in grösserer Sicherheit wiegen? Die Frage muss vermutlich verneint werden, denn die Sicherheit erfordert nicht nur eine Strategie, sondern auch Führungskräfte, die sie umzusetzen vermögen.

Am Samstag hielt Henry Kissinger eine Rede zu Ehren von Helmut Schmidt und Valéry Giscard d'Estaing. Er beschrieb Leadership als persönlichen Charakter gepaart mit dem Mut, seine Wertvorstellungen und Interessen eigenständig zu verfolgen. Charakter und Mut: Als junger Offizier, der für einen Diktator kämpfte, den er verachtete, und dies in einem Krieg, den er sinnlos fand, legte Ewald von Kleist beides an den Tag. Und als er die Münchner Sicherheitskonferenz ins Leben rief, konnten sich Europa und Amerika glücklich schätzen, von Persönlichkeiten regiert zu werden, die diese Eigenschaften ebenfalls besassen.

Bild: Photocase / C/L

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