Meinungen - 25.06.2015 - 00:00 

Service public für das Gemeinwohl?

Was müssen Radio und Fernsehen im Dienst der Öffentlichkeit künftig tun? HSG-Professor Timo Meynhardt wirft einen Blick auf die Diskussion um gebührenfinanzierten Service public und die Frage, wer mit seinem Angebot am besten Gemeinwohl schaffen kann.
Quelle: HSG Newsroom

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24. Juni 2015. Nach der Abstimmung über das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen ist laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung die «Büchse der Pandora» offen. Wer in unserer Zeit auf diese Mythosmetapher aus der Antike zurückgreift, möchte auf kommendes Unheil verweisen und auf schwer beherrschbare Gefahren aufmerksam machen. So ist es auch, wenn man die Meinungslandschaft rund um den öffentlichen Leistungsauftrag der SRG beleuchtet. Es geht um Geld, überholte Haltungen, neue Unsicherheiten und natürlichen auch um technischen Fortschritt.

Wert der medialen Grundversorgung

Aber zunächst: Mit der Annahme des Gesetzes wurde beschlossen, die Gebühren künftig geräteunabhängig in Form einer Zwangsgebühr zu erheben und auf 400 Franken abzusenken. Mit einer hauchdünnen Mehrheit für das neue Gesetz ist die Diskussion keineswegs beendet, sondern im Gegenteil tatsächlich erst eröffnet. Letztlich verschärft sich damit in der Schweiz eine Debatte, die wir in anderen Ländern ebenfalls seit Jahren beobachten. Sie wird dort unter dem Stichwort «Public Value» geführt.

Im Kern geht es darum, was uns heute die öffentlich (also staatlich erbrachte) mediale Grundversorgung (Rundfunk, Fernsehen und zunehmend eben auch Internet) wert ist und ob diese nicht auch durch private Anbieter erbracht werden kann.

Im Bemühen um Legitimation eigenen Handelns hat die BBC in Grossbritannien im Jahre 2004 ihren Zweck definiert: «[T]he BBC exists solely to create public value» und einen Public Value Test für alle neuen Sendungen entwickelt. Gleiches konnte man in Deutschland bei ARD und ZDF seit fast 10 Jahren beobachten. Dort schaltete sich in der ebenfalls hitzig geführten Debatte auch einmal die Bundeskanzlerin Frau Merkel ein, indem sie etwa den Download eines «Rouladenrezepts» aus dem öffentlich-rechtlichen Internetangebot noch als unproblematisch bezeichnete und damit die komplexe Diskussion um den Leistungsauftrag befeuerte.

Denkfalle: Private Medien versus Service public

In der Schweiz entzündete sich die Frage des Public Values der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten erst in jüngster Zeit. Sie zielt nämlich auf des Pudels Kern – nämlich darauf, was das «Öffentliche» sein soll und wer dafür verantwortlich zeichnet. Die Forschung gibt darauf eine klare Antwort: Der Service public allein kann nicht garantieren, dass ein Public Value entsteht – es braucht mehr denn je legitimierende Prozesse (wie etwa den Public-Value-Test). Es geht nicht mehr darum, wer den Public Value schaffen soll oder darf, sondern wer dies am besten kann. Mit dieser Akzentverschiebung kommen wir aus der ermüdenden Denkfalle heraus, bei der staatliche Leistungserbringer den privaten Anbietern gegenübergestellt werden. Es geht nicht um Staatsversagen versus Marktversagen, sondern um Public-Value-Versagen.

Noch einmal zurück zur Büchsenmetapher: Nachdem Pandora – gegen die Anweisung von Zeus – die Büchse doch öffnete, entwichen daraus nur Untugenden und Laster, die Leid und Elend über die Welt brachten. Kurz bevor die Tugend der Hoffnung, die einzige positive Tugend, aus der Büchse kommen konnte, hatte Pandora sie nämlich schon wieder verschlossen. Erst beim zweiten Öffnen konnte sich auch die Hoffnung ihren Weg hinaus in die Welt bahnen. Es wäre zu wünschen, dass die nun eröffnete Debatte um die mediale Grundversorgung in der Schweiz, neben all den Gefahren auch die darin liegenden Chancen erkennt, den Public Value zu steigern.

Bild: Photocase / ad.unger

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