Meinungen - 23.04.2012 - 00:00 

Runde eins der Präsidentschaftswahl

Das Spektakel ist vorerst vorbei. Die Franzosen sind enttäuscht von Präsident Nicolas Sarkozy. Ein Kommentar von Prof. Dr. Vincent Kaufmann zur ersten Runde der Französischen Präsidentschaftswahl.
Quelle: HSG Newsroom

$alt
23. April 2012. Die Ergebnisse der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen entsprechen weitgehend den durch die Meinungsumfragen geschürten Erwartungen. Der Sozialist François Hollande (um 29% der Stimmen) siegt knapp vor dem amtierenden Präsidenten Nicolas Sarkozy (27%). Auf Platz drei befindet sich die Vertreterin des Front National, Marine Le Pen, mit 18 %, deutlicher als erwartet vor dem Kandidaten der antikapitalistischen Linke, Jean-Luc Mélenchon (11 %). Der Mitte-(Rechts) Kandidat François Bayrou (18,5 % in 2007) kassiert mit einem Anteil von nur 9% einen herben Rückschlag: Als glaubwürdige Mitte-Alternative zu den ewigen Duellen zwischen der rechtsorientierten UMP und der SP dürfte er nach diesem dritten Versuch endgültig ausscheiden.

Der linke und rechte Rand

Von Überraschungen kann bei diesen Ergebnissen kaum die Rede sein. Nachdem der Front national 2007 schlecht abgeschnitten hat, ist er mit der Tochter von Jean-Marie Le Pen und einem etwas modernisierten Auftritt wieder dort vor er zwischen 1990 und 2002 war, mittlerweile auch nicht mehr als europäische Ausnahme, zumal in vielen Staaten radikale Rechtsfronten zu wichtigen politischen Playern aufgestiegen sind. Auch der Erfolg von Mélenchon ist nicht so überraschend: Der Unterschied zu früheren Wahlen liegt vor allem darin, dass sich die radikale protokommunistische Linke dieses Mal (fast) nicht zersplittert hat und mit Mélenchon über eine medientaugliche Persönlichkeit verfügt. Die französische antikapitalistische Tradition, mit einem Potential von 10 – 15 % der Stimmen, ist aber nichts Neues, wobei sie im europäischen Kontext eigentlich die wahrhafte Ausnahme ist: Sogar die französischen (gaullistischen) Rechtsparteien haben sich immer nur sehr zögernd zum freien Markt bekannt.

Kaum Hoffnung für Sarkozy

Markant ist vor allem das schlechte Abschneiden von Nicolas Sarkozy, das ihm kaum Hoffnungen für die Stichwahl in zwei Wochen lässt – es ist das schlechteste Ergebnis eines amtierenden Präsidenten in der Geschichte der 5. Republik. Zu viel versprochen und zu wenig gehalten. Welcher Politiker überlebt die seit 2008 andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise? Im Fall von Sarkozy ist es aber auch eine Stilfrage: zu viel Gestikulieren, zu wenig Taten, zu viel Medienpräsenz, zu wenig Präsenz der Regierung auf dem Spielfeld. Gab es überhaupt eine Regierung? Hat man je François Fillon, den Premier Ministre, gesehen? Oder den sehr erfahrenen und kompetenten Aussenminister Alain Juppé? Normalerweise verbrennt ein Präsident während einer Amtszeit mindestens zwei Premiers Ministres, deren politische Karriere dann meistens in einer Sackgasse landet. Sarkozys politischer Egozentrismus führt ironischerweise dazu, dass er nur sich selbst verbrannt hat. Ab heute zählen Fillon und Juppé zu den Favoriten als Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2017.

Verhältnis zwischen Medien und politischer Macht

Und was für eine Lektion in Bezug auf das Verhältnis zwischen Medien und politischer Macht. Dank staatlicher Kontrolle oder engen Freunden in den privaten Medienunternehmen (Dassault, Lagardère, Arnault, Bouygues, alle Besitzer nicht nur von Medienunternehmen sondern auch von Unternehmen, die auf Staatsaufträgen angewiesen sind) hätte Sarkozy alles in den Händen, sagte man vor fünf Jahren. Er könne die Öffentlichkeit manipulieren wie niemand vor ihm. Und fünf Jahre später haben sich die meisten Medien von ihm distanziert und hüten sich davor, ihre Glaubwürdigkeit mit der Unterstützung eines potentiellen «Loosers», den die Franzosen nicht mehr wollen, zu riskieren. So funktioniert die Demokratie und die Öffentlichkeit: Niemand kann sie konfiszieren. Auch hier, und nicht nur in den «social media» gibt es so etwas wie «collective wisdom». Die Flitterwochen zwischen Sarkozy und den Medien haben schlussendlich kaum länger gedauert als seine breit in den Medien als Revanche über Ex-Gattin Cecilia inszenierten Flitterwochen mit Carla Bruni. Nachdem sich die Franzosen offensichtlich wünschen, sich von Sarkozy scheiden zu lassen, ist in diesem Sinn eigentlich nur noch die Frage offen, wann entschliesst sich auch Carla Bruni dazu. Mit dem Spektakel ist auf jeden Fall vorläufig Schluss.

Bild: Vente. / Photocase

north