Meinungen - 03.01.2013 - 00:00 

Redlichkeit in der Forschung

Sowohl in der Wissenschaft als auch im Geschäftsleben brauchen wir eine gegenseitige Kontrolle. Forscher, Journals und Institutionen sollten dazu beitragen, Betrug zu verhindern, schreibt ES-HSG-Dean Winfried Ruigrok.
Quelle: HSG Newsroom

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4 Januar 2013. In letzter Zeit wurden weltweit viele Fälle von Wissenschaftsbetrug in verschiedenen Bereichen wie Medizin, Chemie und Sozialpsychologie gemeldet. Einige Wissenschaftler hatten Gutachten über ihre eigenen Arbeiten oder die ihrer Freunde gefälscht. In anderen Fällen wurden wissenschaftliche Arbeiten zurückgezogen, weil die Daten frei erfunden waren. Ein japanischer Anästhesist hatte sogar bei 172 Arbeiten Daten erfunden.

Diese Betrugsfälle kommen zu den öffentlichen Plagiatsaffären wie jene in Deutschland dazu, bei denen es um zwei (inzwischen ehemalige) Bundesminister ging. Diese Autoren hatten einfach Texte von Anderen in ihre eigenen Arbeiten kopiert. Im Vergleich zu diesen älteren Fällen ist die Täuschung bei den neueren Betrugsfällen viel ausgefeilter.

Manipulierte Daten

Ein typisches Beispiel ist der Betrugsfall eines berühmten niederländischen Professors für Sozialpsychologie, über den Ende 2012 ein Bericht veröffentlicht wurde. Dieser hatte bei mindestens 34 wissenschaftlichen Arbeiten Daten erfunden oder manipuliert. Er behauptete, an anderen Institutionen als denen, bei denen er angestellt war, Experimente durchgeführt zu haben, ohne seine Kollegen oder Mitautoren einzubeziehen.

Bei der Durchführung der Experimente gab es keine Kontrolle durch Kollegen, so dass er Daten erfinden oder beschönigen konnte. Er vermischte belegbare Details und Erfundenes, so dass seine Ergebnisse plausibel erschienen und Mitautoren und Gutachter glaubten, der Prozess der Datenerhebung sei echt gewesen. Schliesslich arbeitete er oft mit wenig erfahrenen Kollegen, die er einschüchtern konnte.

Wie kann man Wissenschaftsbetrug erkennen? Es gibt Parallelen zu den Skandalen in der Unternehmensführung bei Firmen wie Enron, Swissair, Lehman oder Mahindra Satyam. Diese Unternehmen hatten typischerweise auf internationaler Ebene offensiv expandiert und waren von der Presse und den Märkten gefeiert worden. Wegen verzerrter Anreizstrukturen hatten sie schlechte interne Kontrollmechanismen, was wiederum zu falscher Berichterstattung führte. Meist ignorierten der Vorstand und andere Interessensvertreter die frühen Warnsignale.

In der Welt der Wissenschaft und in der Geschäftswelt brauchen wir eine funktionierende gegenseitige Kontrolle. Wissenschaftler, Fachzeitschriften, Wissenschaftsorganisationen und die Institutionen sollten gemeinsam dazu beitragen, Wissenschaftsbetrug zu verhindern.

Vor der eigenen Tür kehren
Betrug zu vermeiden ist nicht besonders kompliziert. Hier einige Vorschläge:

Erstens sind Betrüger meistens Personen, die Primärdaten verwenden. Gegenseitige Kontrolle sollte das Risiko verringern, dass Einzelne die fehlende Transparenz beim Sammeln von Primärdaten ausnützen. Eine Möglichkeit, die Zuverlässigkeit zu steigern ist es, qualifizierte Fachleute anzustellen, die Experimente oder andere Formen der Primärdatensammlung überwachen. Diese sollten angesehene Akademiker sein und namentlich genannt werden und nicht Mitautoren derselben oder einer anderen Arbeit des primären Forschers sein.

Zweitens sollten wichtige Fachzeitschriften mehr investieren um Forschungsergebnisse zu überprüfen, zum Beispiel indem sie regelmässig externe Prüfer zu ihren Autoren schicken. Nichts zwingt einen Forscher zu mehr Disziplin, als zu wissen, dass seine Arbeit zu gegebener Zeit überprüft wird. Wichtige Zeitschriften könnten zudem verlangen, dass Forscher ihre Daten und den Prozess der Datengewinnung zur externen Nutzung und Bewertung online verfügbar machen.

Drittens haben einige Wissenschaftsorganisationen begonnen, ein Rücknahmeregister für Zeitschriften zu entwickeln. Dieses gibt Aufschluss über die Qualität des Prüfungs- und Redaktionsprozesses einer Zeitschrift.

Viertens sollten Forschungsorganisationen sich eingestehen, dass ihre verzerrten Anreizstrukturen zu den neuesten Betrugsfällen beigetragen haben – so wie die überhöhten Managerlöhne zu den Unternehmens-führungsskandalen beigetragen haben. Forschungsorganisationen sollten ein ausgewogeneres System einführen, das sehr gute Leistungen in der Lehre, der Forschung, der Vermittlung und bei der Selbstverwaltung belohnt.

In der akademischen Welt sind wir uns der Betrugsproblematik gerade erst bewusst geworden. Wir haben immer gewusst, dass das bestehende System, das auf Peer-Review und dem Renommee von Zeitschriften beruht, nicht hieb- und stichfest ist. Aber die neuesten Affären haben gezeigt, dass das wissenschaftliche Gebäude immer mehr wie ein undichtes Haus aussieht. Wir sollten die Lektionen, die wir bei den Unternehmen gelernt haben, anwenden, um unser Haus wieder in Ordnung zu bringen.

Bild: Photocase / Zettberlin

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