Meinungen - 19.05.2015 - 00:00 

Raum für Städte und Gemeinden

Assistenzprofessor Jörn Richert schreibt anlässlich des St.Galler Forums für Management Eneuerbare Energien 2015 darüber, wie eine erfolgreiche Schweizer Energiepolitik gelingen kann.
Quelle: HSG Newsroom

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19. Mai 2015. Energiepolitik in der Schweiz ist Mehrebenenpolitik. Bund, Kantone und Gemeinden treffen energiepolitische Entscheidungen. Das Schweizer Stimmvolk stimmt auf verschiedenen Ebenen über politische Vorlagen ab und bringt selbst Initiativen ein. Die Energiepolitik der Schweiz ergibt sich aus dem Zusammenspiel dieser Prozesse. Politischer Erfolg stellt sich ein, wenn dieses Zusammenspiel funktioniert.

Die Energiestrategie 2050 wird sich in Zukunft entscheidend auf das Zusammenspiel politischer Prozesse im Schweizer Mehrebensystem auswirken. Nur wenn sie dafür sensibel bleibt, kann die Schweizer Energiepolitik zukünftig funktionieren. Es bedarf einer bewussten und vorausschauenden Koordination der Prozesse in Bund, Kantonen, Gemeinden und Städten.

Insbesondere Gemeinden und Städten sollte genügend Freiraum für innovative politische Ansätze gelassen werden. Auch sollten sie die Möglichkeit bekommen, eigene ambitionierte Ziele zu verfolgen.

Auf lokaler Ebene lässt sich experimentieren

Einen wichtigen Fürsprecher für diese Eigenständigkeit finden Städte und Gemeinden in der Forschung zur Mehrebenenpolitik in den Bereichen Umwelt, Klima, und Energie.

Forschungsergebnisse aus Politik-, Umwelt- und Wirtschaftswissenschaften sowie der Stadtforschung dokumentieren die produktive Rolle, die Städte und Gemeinden spielen können. Sie leisten entscheidende Beiträge bei der Formulierung, Umsetzung und gesellschaftlichen Verankerung der Energiepolitik.

Ihre produktive Rolle entwickeln Städte und Gemeinden als Politiklabore, denn auf lokaler Ebene lässt sich experimentieren. Wie eine Vielzahl von Studien zeigt, können aus Politikexperimenten erfolgreiche Politiken entstehen, die dann als beste Praxis von höheren Ebenen aufgegriffen werden können. Auch zwischen Gemeinden und Städten können sich solche Praktiken verbreiten und so die Energiepolitik vorantreiben.

Dezentraler Aufbau als Vorteil

Die Schweiz hat hier einen entscheidenden Vorteil gegenüber vielen anderen Ländern: Durch ihren dezentralen Aufbau bietet sie viel Freiraum für Politikexperimente. Dieser sollte auch für die Energiepolitik genutzt und kultiviert werden.

Ein weiterer Vorteil aktiver Gemeinden und Städte liegt darin, dass sie den energiepolitischen Werkzeugkasten erweitern. Gemeinden haben Handlungsmöglichkeiten, die der Bundesebene nicht oder nur begrenzt zur Verfügung stehen.

Gemeinden und Städte leisten nicht nur, wie Studien unter anderem der OECD zeigen, einen wichtigen Beitrag in den Bereichen der lokalen Regulierung und Planung, der Energieversorgung, der Bereitstellung von Wohnraum, öffentlichem Nahverkehr und energierelevanten Infrastrukturen sowie der Information und Beratung.

Vielmehr steht ihnen auch entscheidendes lokales Wissen zur Verfügung. Besser als übergeordnete Ebenen können sie mit lokalen Akteuren zusammenarbeiten und lokale Präferenzen und Prioritäten identifiziert. Dies ermöglicht, lokal angepasste Politiken und Massnahmen zu formulieren.

Schliesslich kann eine aktive energiepolitische Rolle von Städten und Gemeinden den gesellschaftlichen Rückhalt der Schweizer Energiepolitik entscheidend stärken. Städte sind in der Lage, die lokale Bevölkerung zu sensibilisieren und energiepolitische Massnahmen zu formulieren, die deren Bedürfnissen entsprechen und mit lokalen politischen Prioritäten konsistent sind. Auch kann die Beteiligung lokaler Interessen auf Gemeindeebene eine erfolgreiche energiepolitische Planung fördern.

Effektiv und effizient koordinieren

Im Prozess zur weiteren Ausarbeitung und Verabschiedung der Energiestrategie 2050 sollte daher die Rolle der Städte und Gemeinden eine zentrale Rolle einnehmen. Am besten kann dies geschehen, wenn ihre Anliegen schon in der Politikformulierung ernst genommen werden. Auch sollte diskutiert werden, wie die Schweizer Mehrebenenpolitik unter Beteiligung von Kantonen, Städten und Gemeinden effektiv und effizient koordiniert werden kann.

Bild: photocase.com / BeneA

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