Forschung - 29.06.2011 - 00:00 

Ratingagenturen als Krisentreiber?

In einer Studie haben HSG-Forschende die Rolle von Kredit-Ratingagenturen in der Staatsschuldenkrise untersucht. Demnach wurde die Kreditwürdigkeit der PIGS-Staaten ungerechtfertigt weit herabgestuft.
Quelle: HSG Newsroom

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29. Juni 2011. Schlechte Ratings können sich von selbst erfüllen, selbst wenn sie ungerechtfertigt sind. Dies zeigt eine Studie der Forschungsgemeinschaft für Nationalökonomie der Universität St.Gallen (HSG). Die Studie mit dem Titel «PIGS or Lambs? The European Sovereing Debt Crisis and the Role of Rating Agencies» geht der Rolle von Kredit-Ratingagenturen in der aktuellen Staatsschuldenkrise auf den Grund. Fazit: Die Agenturen haben die Kreditwürdigkeit der sogenannten PIGS Staaten (Portugal, Irland, Griechenland und Spanien) in den letzten zwei Jahren ungerechtfertigt weit herabgestuft.

Die Autoren Prof. Dr. Manfred Gärtner, Björn Griesbach und Florian Jung zeigen, dass Ratingabstufungen eines Landes generell mit höheren Zinssätzen auf dessen Staatsschulden verbunden sind. Dies gilt auch, wenn Fundamentalwerte wie etwa die Verschuldungsquote, das Haushaltsdefizit oder das Wirtschaftswachstum des entsprechenden Landes die Ratingänderung nicht oder nur teilweise rechtfertigen. Der Kapitalmarkt, auf dem die Zinssätze für Staatsschulden bestimmt werden, glaubt den Urteilen der Ratingagenturen offenbar auch dann, wenn diese den Fundamentaldaten zuwider liegen. Dies eröffnet Ratingagenturen einen gewissen Spielraum.

PIGS-Staaten ungerechtfertigt weit herabgestuft

Die Studie zeigt auch, dass Ratingagenturen tatsächlich die Kreditwürdigkeit der sogenannten PIGS Staaten (Portugal, Irland, Griechenland und Spanien) in den letzten zwei Jahren ungerechtfertigt weit herabgestuft haben. Das heisst, es gibt andere Länder, die ähnliche Fundamentaldaten aufweisen, aber ein deutlich besseres Rating erhalten haben.

Die Agenturen gäben sogar selbst zu, dass es äusserst schwierig sei, die Kreditwürdigkeit von Staaten - im Gegensatz zu Unternehmen - zu bestimmen. Sie warnten deshalb auch Investoren vor der Aussagekraft ihrer Urteile. «Man könnte fast meinen, Ratingagenturen erfüllen einen reinen Selbstzweck: Sie können einen Staatsbankrott ex ante nicht vorhersagen, aber in bestimmten Situationen herbeiführen und damit prognostizieren», sagt Professor Gärtner. 

Mehr Transparenz im Markt für Ratingagenturen
Die sich selbst erfüllenden Prophezeiungen schätzen die Autoren der Studie als problematisch ein. Ebenso die Oligopolstellung der drei Ratingagenturen Moody's, Standard & Poor und Fitch und deren fatale Fehleinschätzungen zahlreicher Derivate während der Finanzkrise. Es stelle sich die Frage, ob Regierungen nicht eine höhere Transparenz und Diversifizierung im Markt für Ratingagenturen erzwingen sollten, so das Fazit der Studie.

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