Meinungen - 20.01.2012 - 00:00 

Qualitatives Wachstum?

Vom 25. bis 29. Januar findet in Davos das World Economic Forum 2012 statt. Reto Föllmi, Professor für Internationale Ökonomie, analysiert in seinem Meinungsbeitrag, wie qualitatives Wachstum möglich ist.
Quelle: HSG Newsroom

$alt

19. Januar 2012. «The Great Transformation: Shaping New Models ‒ Der grosse Wandel: Neue Modelle schaffen» ist das Hauptthema des diesjährigen World Economic Forum in Davos. Die von der Finanz- über die Wirtschafts- zur Schuldenkrise entstandene Tripelkrise hat zu massiven Verwerfungen und möglicherweise gar Einflussverschiebungen in der Weltwirtschaft geführt. Die Erfahrungen von Ländern wie Griechenland, Irland oder Spanien werfen wieder drängend die Frage auf, wie sich unser Wohlstand langfristig entwickeln wird und ob er überhaupt gesichert ist.

In den Jahren vor der Krise führten viele Länder eine meist schuldenfinanzierte, nachfrageorientierte Wachstumspolitik. Der dadurch erzeugte kurzfristige Aufschwung vernebelte die Antwort auf die Frage, warum wir überhaupt wachsen können, also wie Steigerungen des Lebensstandards oder Reduktionen der Arbeitszeit überhaupt in Zukunft möglich sein werden.

Wachstum ja. Aber welches?

Die Frage ist dringend, und so widmet das kommende World Economic Forum dieser Fragestellung einen eigenen Schwerpunkt «Growth and Employment Models ‒ Neue Wachstums- und Beschäftigungsmodelle». Wo liegt denn eine mögliche Antwort? Genau betrachtet spricht auch nach der Krise eigentlich nichts dagegen, dass anhaltendes Wachstum respektive die Erschliessung neuer Möglichkeiten und damit die Verbesserung unseres Wohlstandes möglich sind. Nur kann es sich dabei nicht um reines Mengenwachstum handeln, dies ist auch allein von den natürlichen Ressourcen her nicht möglich.

Gerade aus diesem Argument heraus wird klar, dass die andauernde Quelle von Wohlstandssteigerungen nur in Innovationen liegen kann. Was sind nun aber die Triebfedern dieser Neuerungen? Fallen sie einfach vom Himmel?

Wir wachsen, weil wir wollen

Neue Produkte oder bessere Dienstleistungen werden nur entdeckt und angewendet, wenn sie neue Bedürfnisse befriedigen, denn die Suche nach technischen Neuerungen, die in besseren Produkten oder aber auch in Einsparung von Arbeitszeit resultieren können, ist eine unternehmerische Aktivität, die Zeit und andere Ressourcen benötigt. Mit anderen Worten, jeder Mitteleinsatz für Forschung, sei es an Universitäten oder in Firmen, ist letztlich durch Präferenzen getrieben. Konkret: Wir wachsen, weil wir es so wollen. Wären die Wachstumsbedürfnisse nicht mehr da, bestünde keine Nachfrage mehr nach Innovationen und die Unternehmer würden diese darum gar nicht zu entdecken versuchen. Dieser grundlegende Zusammenhang wird häufig missverstanden. Der Ökonomie als Wissenschaft wird fälschlicherweise Wachstumsgläubigkeit vorgeworfen. Selbst viele ausgebildete Ökonomen sind der Ansicht, man «müsse» wachsen.

Es ist nur zu begrüssen, wenn anlässlich einer strategischen Ideentagung wie dem World Economic Forum die Frage wieder einmal neu gestellt wird, warum wir überhaupt wachsen (wollen). Wie angedeutet wurde, kann die Antwort nur darin liegen, dass innovative Unternehmer neue Bedürfnisse erkennen oder zu antizipieren versuchen. Dies ist die Grundlage für qualitatives (und damit auch nachhaltiges) Wachstum, das auf intelligenten Neukombinationen beruht und ohne Mehrverbrauch von Ressourcen auskommt.

Bild: WEF/Andy Mettler

north