Meinungen - 01.05.2015 - 00:00 

Neue Marke: Risiko oder Chance?

Eine Schweizer Telekomfirma benennt sich um: Aus Orange wird Salt. Was bedeutet so ein Namenswechsel für eine Marke? Fünf Thesen zum Thema «Rebranding» von Sven Reinecke, geschäftsführender Direktor des Instituts für Marketing an der HSG.
Quelle: HSG Newsroom

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4. Mai 2015.  Was passiert, wenn sich eine Marke neu erfindet? Der Markenwechsel des Schweizer Unternehmens «Orange zu Salt» ist nur ein Beispiel, viele andere Unternehmen haben bereits einen Markenwechsel hinter sich. Fünf Thesen zum so genannten Rebranding vorweg:

Markenführung ist strategisch und langfristig
Mit Ausnahme von Google sind alle Top 10-Marken im Interbrand-Ranking der weltweit stärksten Marken alte, «bewährte» Marken. Das unterstreicht: Der Aufbau von Markenguthaben erfordert langem Atem. Dies gilt zum einen für den Kern einer Marke. So gründen die Markenwerte von Volkswagen seit dem Käfer auf dem Thema «Kaufsicherheit», kommuniziert mit den Slogans «Und läuft, und läuft, und läuft ...», «Da weiss man, was man hat» und «Das Auto». Zum anderen betrifft dies aber auch die kommunikative Umsetzung: Die lustige Werbung der Mobiliar mit den Schadenskizzen ist einzigartig, prägnant - und wegen ihrer Kontinuität seit mehr als 16 Jahren besonders einprägsam. Kontinuität bedeutet in unserer schnelllebigen Zeit Spitzenleistung, weil Marketingleitungen und Werbeagenturen zum Teil im Jahresrhythmus ausgewechselt werden.

Eine Marke darf dennoch nicht verstauben
Die Bedürfnisse der Konsumenten verändern sich, daher müssen sich auch Marken im Laufe der Zeit immer wieder ihre Positionierung akzentuieren. Marken, die sich gar nicht verändern, werden langweilig und uninteressant. So ist es beispielsweise Rivella mit Rivella Cliq gelungen, eine starke, traditionelle schweizerische Marke wieder zu aktualisieren. Auch Innovationen wie Coca-Cola Life führen dazu, dass eine bekannte Marke neue Akzente setzt, ohne die Grundbotschaft (bei Coca-Cola z.B. Erfrischung) zu verändern. Von Zeit zu Zeit ist es auch durchaus sinnvoll, das Logo einer Marke sehr behutsam zu ändern oder stilistisch zu vereinfachen, wie das bei Migros, Coop und Nestlé, ja selbst bei Google gelegentlich erfolgt.

Eine starke Marke steht für ein gehaltenes Versprechen.

Damit repräsentiert sie einerseits eine langfristige Beziehung zwischen den Kunden und dem Markenunternehmen; andererseits erfordert sie auch eine hohe Identifikation der Mitarbeitenden mit der Marke, damit letztere auch authentisch wirkt. Eine abrupte Markenänderung führt somit zu einer Veränderung der Kundenbeziehung zum Unternehmen; dies hat beispielsweise die Marke Cailler gespürt, als sie damals die Verpackung aus Sicht ihrer Konsumenten zu stark in Richtung Luxus verändern wollte. Ein Markenwechsel erfordert aber auch eine Neuausrichtung: So steht Coop City für andere Zielgruppen und andere Werte als EPA - dies stellt damit neue Anforderungen an die Mitarbeitenden.

Ausnahmefall Rebranding
Ein totales Rebranding sollte ein Ausnahmefall sein und nur erfolgen, wenn es dafür einen wirklich triftigen Grund gibt. Die damalige Rentenanstalt hat den Wechsel von einer Genossenschaft zu einem börsennotierten Unternehmen mit einem Namens- und Logowechsel verbunden; dieser Markenwechsel gilt für viele Marketingfachleute als vorbildlich. Das Rebranding wurde vor- und nach dem Logowechsel jahrelang mit Hilfe des Doppelnamens «Rentenanstalt/Swiss Life» begleitet. Ebenso erforderte die Fusion der Schweizerischen Bankgesellschaft mit dem Bankverein ein neues Branding, bei welchem es geschickt gelungen ist, Namens- und Logobestandteile (UBS und Schlüsselsymbol) beider Unternehmen zu kombinieren. So manche Namens- und Logoänderungen werden aber leider eher aus Marketingunkenntnis oder aus Eitelkeit der Geschäfts- und Marketingleitung durchgeführt, um Aufmerksamkeit in der eigenen Community zu erzielen. Kunden interessieren sich übrigens kaum für Logos und noch weniger für Logoänderungen - sie schätzen vielmehr Vertrauen und Kontinuität.

Markenwechsel ist teuer
Die Einführung einer neuen Marke ist meist viel zu teuer. Im Marketing gilt der Grundsatz: Ohne Bekanntheit ist alles Nichts. Es ist extrem teuer, den derzeitigen Bekanntheitsgrad von Orange (gestützt bei der Zielgruppe sicherlich über 95 %) neu für die Marke Salt. aufzubauen. Ebenso war und ist es für das Versicherungsunternehmen AXA anspruchsvoll und teuer, dass die in der Schweiz früher kaum bekannte Marke AXA dieselbe Bekanntheit, ein ähnlich positives Image und ein gleichwertiges Markenguthaben wie die traditionelle schweizerische Marke «Winterthur» erreicht. Daher wurde auch hier professionell parallel kommuniziert, wobei der Fokus zunehmend auf AXA liegt.

Ein Wechsel zu einer neuen Marke, der ausschliesslich mit internationalen Synergien begründet wird wie «Aus Raider wird jetzt Twix, sonst ändert sich nix», würde heutzutage sehr kritisch hinterfragt. Fast alle internationalen Konsumgüterunternehmen reduzieren die Anzahl ihrer Marken und fokussieren sich auf wenige «Megabrands», um Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit in der Kommunikation zu erzielen. Nur so ist es möglich, in der heutigen Werbewelt überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Beispielsweise ist es durchaus vorstellbar, dass ein Unternehmen wie Beiersdorf irgendwann auch in der Schweiz die starke, mehr als 100 Jahre alte, aber relativ kleine Marke «Labello» unter die Dachmarke Nivea (z.B. als Nivea Labello oder Nivea Lip Care) integrieren wird. Dann zahlen die Lippenpflegeprodukte auch auf die Marke Nivea ein und stärken diese in der Wahrnehmung der Kunden.

Der Fall «Orange Salt»
Wie ist der Markenwechsel von Orange zu Salt. zu beurteilen? Es gab hier einen Grund für den Markenwechsel (Unternehmensverkauf und die damit verbunden Lizenzgebühren an Orange) - und man will mit innovativen Produktangeboten (zielgruppenspezifische Jahresabos und Flattarife) neue, attraktive und weniger preissensible Zielgruppen ansprechen. Auf den ersten Blick wurde handwerklich gute Arbeit geleistet, aber die Strategie ist teuer, extrem anspruchsvoll und risikoreich. Gerade deshalb bleibt es spannend, den Erfolg dieses Rebrandings bei den Kunden zu beobachten.

Bild: Photocase / sör alex

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