Forschung - 11.10.2018 - 00:00 

Lean-Management unterstützt die Digitalisierung

Der Bereich Produktionsmanagement am ITEM-HSG hat eine industrieübergreifende Studie zum Thema «Lean 2020 – The Future of Operational Excellence» durchgeführt. Das Ergebnis: Lean-Management ist auch nach mehr als 25 Jahren das wichtigste Produktionsparadigma geblieben.
Quelle: HSG Newsroom

11. Oktober 2018. Lean-Management bedeutet schlanke Produktion und umfasst die effiziente Gestaltung der Wertschöpfungskette. Es zielt auf eine ganzheitliche Prozessoptimierung ab, um Fluss zu erzeugen, Verschwendung zu minimieren und Prozesse zu harmonisieren. Im Laufe der Jahre hat sich das Lean-Management zu einer Unternehmensphilosophie entwickelt, deren zentrale Aspekte Kundenorientierung, Prozess- und Produktqualität und infolgedessen Kostensenkungen beinhaltet.

Zufriedene Kundschaft, motivierte Mitarbeitende

Durch die Optimierung sämtlicher Prozesse und die Eliminierung von Verschwendungspotenzialen können Produkte und Dienstleistungen zu einem konkurrenzfähigen Preis angeboten werden. Zusätzlich bietet das Lean-Management eine bessere Orientierung an den Bedürfnissen und Wünschen der Kundinnen und Kunden. Denn nur durch genaue Prozessdefinitionen, Schnittstellenbeschreibungen und das frühe Reagieren auf Fehler können qualitativ hochwertige Produkte entstehen.

Das Personal hat in der Lean-Management-Unternehmensphilosophie eine zentrale Funktion. Sie bezieht Mitarbeitende in die Prozesse der Verschlankung mit ein und nutzt so die vorhandenen Erfahrungen und Kompetenzen. Durch diese Einbindung in Entscheidung und Verschlankung werden die Mitarbeitenden motiviert, sich aktiv einzubringen.

Auf der Suche nach neuem Potential

«Viele Unternehmen haben sich in den letzten Jahren erfolgreich am Lean-Management orientiert und Effizienzsteigerung erreicht. Wettbewerbsdruck und steigende Kundenanforderungen zwingen jedoch dazu, nach weiteren Möglichkeiten zu suchen, um Kundennutzen zu generieren und gleichzeitig Verschwendung zu vermeiden», erklärt Paul Buess, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ITEM-HSG. Zusammen mit Julian Macuvele hat er deshalb von 2017 bis Anfang 2018 die industrieübergreifende internationale Studie «Lean 2020 – The Future of Operational Excellence» durchgeführt. Sie wurde in enger Zusammenarbeit mit der Industrie konzipiert und zielte darauf ab, den aktuellen Status von Lean-Produktion abzubilden und erfolgreiche Anwendungen für neuartige Ansätze zu dokumentieren. Dazu wurden zunächst mehr als 500 Unternehmen mit Lean-Anwendungen identifiziert und aus 75 – vorwiegend europäischen – Unternehmen fünf besonders erfolgreiche ausgewählt, um ihre Lean-Erfahrungen genauer zu analysieren.

Die erfolgreichen Unternehmen, die den «Lean 2020 Award» erhielten, wurden gemeinsam von Forschern und Industrieexperten ausgewählt. Beispiele für Unternehmen mit besonders erfolgreicher Lean-Anwendung sind die Firmen Henkel, Swisscom, thyssenkrupp Steering, und LivaNova.

Ein Beispiel für eine erfolgreiche Anwendung von Lean-Management im Kontext von Digitalisierung liefert zum Beispiel das Unternehmen Swisscom. «Swisscom beweist, dass Lean auch ausserhalb der materiellen Produktion erfolgreich eingesetzt werden kann. Dabei setzt das Unternehmen beispielsweise moderne Datenanalyse in verschiedenen Situationen ein, um das Kundenerlebnis zu verbessern», erklärt Paul Buess. So steigert eine Anwendung des maschinellen Lernens die Effizienz und verbessert gleichzeitig die Servicequalität. Cosmos, sortiert schriftliche Kundenanfragen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz entsprechend dem Kundenanliegen. Einfache Routineanfragen würden direkt beantwortet indem ein Link zur entsprechenden Onlinehilfe versandt wird. «Komplexere Anfragen werden mit einer 85 prozentigen Wahrscheinlichkeit direkt dem richtigen Ansprechpartner weitergeleitet. Das System reduziert die Zeit bis zu einer qualifizierten Antwort durch die Swisscom erheblich und steigert somit Kundennutzen. Gleichzeitig wird nicht wertstiftende Arbeit minimiert.»

Lean bleibt zentrales Leitmotiv

Neben der Evaluierung neuer Ansätze lieferte die Studie auch allgemeine Erkenntnisse. Fast 90 Prozent der Unternehmen gaben an, dass Lean-Produktion auch in Zukunft zentrales Leitmotiv bleiben wird, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. «Lean-Potentiale werden bei weitem nicht ausgeschöpft», lautete zudem eines der Zitate. Ein weiteres Fazit ist, dass noch grosses Entwicklungspotenzial in der Verbreitung von Lean-Management von der Produktion auf andere Bereiche wie Verkauf und Marketing liegt. «Die Unternehmenskultur ist und bleibt dabei wichtigster Faktor, um Lean-Produktion auch künftig erfolgreich zu gestalten. Dazu gehört vor allem auch die Beteiligung von Mitarbeitenden für eine kontinuierliche Verbesserung», betont Julian Macuvele.

Auch in Bezug auf die Digitalisierung lieferte die Studie wertvolle Erkenntnisse. «Die befragten Unternehmen zeigten sich überzeugt, dass Lean die Digitalisierung durch die Sicherstellung von standardisierten, robusten und schlanken Prozessen unterstützen wird», erläutert der wissenschaftliche Mitarbeiter. Eines der erfolgreichen Unternehmen formulierte es so: «Wenn wir keine Lean-Prinzipien anwenden, werden wir Verschwendung digitalisieren.»

Bild: Fotolia/ ipopba

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