Veranstaltungen - 30.04.2013 - 00:00 

Kritischer Blick auf Interventionen

Stanley McChrystal, ehemaliger Kommandant der US-Streitkräfte in Afghanistan, war am 43. St. Gallen Symposiums zu Gast. Er sprach über militärische Einsätze und Aufstandsbekämpfung als Konfliktstrategie.
Quelle: HSG Newsroom

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3 Mai 2013 Am zweiten und letzten Tag des 43. St. Gallen Symposiums betrat General Stanley McChrystal die Bühne. Die Podiumsdiskussion mit ihm und Prof. Dr. Lisa Anderson vermittelte Einsicht in die Invasion Afghanistans von 2001. Zunächst bat Prof. Anderson McChrystal um seine Einschätzung der ursprünglichen Einsätze im Irak und in Afghanistan.

«Das ist eine gute Frage», meinte McChrystal, «ich bin mir nicht sicher, ob wir wussten, worin die ursprünglichen Einsätze überhaupt bestanden. Wir gingen 2001 nach Afghanistan, ohne dass wir lange darüber nachdenken konnten.» Des Weiteren wies er darauf hin, dass es nach den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2011 und aufgrund der Tatsache, dass die al-Quaida dort Widerstandskämpfer ausbildete, «logisch war».

Aufstandsbekämpfung als Konfliktstrategie
Im Hinblick auf die heutigen Konflikte sprach McChrystal über Aufstandsbekämpfung als Konfliktstrategie. Er stellte fest, dass es im Kampf gegen Aufständische nicht nur darum gehe, bewaffneten Widerstand zu «neutralisieren», sondern dass «man versucht, das zu tun, was diesen Staat ausreichend dauerhaft macht, und zwar in politischer, militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht, so dass er in der Lage ist, diese potentielle Ansteckung abzustossen. Die Widerstandsbekämpfung ist nicht nur eine eingleisige Handlung. Es geht nicht nur um die Staatenbildung, es geht nicht nur um den Aufbau von Wirtschaftstätigkeit… es geht um eine ganze Reihe von Dingen, zu denen auch Militäreinsätze gehören.»

McChrystal war der Ansicht, dass das die Staatenbildung («nation building») als Konzept an Beliebtheit eingebüsst hat, hält sie jedoch für notwendig. Dies, obwohl sie schwierig und sehr kostspielig sei. Geschichtlich gesehen erfordere die Staatenbildung 13 Jahre, aber wenn man nach elf Jahren aufgebe, sei die Sache verloren.

In seiner jetzigen Eigenschaft als Senior Fellow an der Yale University sprach McChrystal über ein Projekt, an dem er kürzlich beteiligt war. Zusammen mit einem Immunologen verglich er das menschliche Immunsystem mit der Aufstandsbekämpfung. Die beiden kamen zum Schluss, dass bemerkenswerte Ähnlichkeiten bestünden. «Wenn der menschliche Körper dramatisch geschwächt wird, entwickelt er die Fähigkeit, Dinge zu bekämpfen, die man sonst gar nicht bemerken würde.» Dasselbe ereignet sich im Zusammenhang mit einem Aufstand. «Je schwächer die Regierung und die Gesellschaft, desto eher kann ein Aufstand Wurzeln schlagen und sich zu einer glaubwürdigen Bedrohung entwickeln.»

Die «Zukunft des Kriegs»
Anderson bat ihren Gast, einzuschätzen, in welchem Ausmass die USA und die Weltgemeinschaft wirklich auf die Konflikte des 21. Jahrhunderts vorbereitet seien. McChrystal gab unumwunden zum Ausdruck, dass die Streitkräfte seines Erachtens nicht vorbereitet seien. Seiner Meinung nach werden die künftigen Herausforderungen darin bestehen, wie gut sich die Länder gegen etwas verteidigen können, was er als «die Macht eines Einzelnen» bezeichnete. Die Macht einer Einzelperson sei weitaus grösser als vor 50 Jahren. Ein Einzelner oder eine kleine Gruppe habe heute mehr Macht, Schaden zu stiften, als je zuvor.

Das Symposium an der Universität St.Gallen ist ein alljährlich stattfindender Anlass, an dem sich Vordenker mit verschiedenem Hintergrund treffen, um zu debattieren, zu diskutieren und Ideen auszutauschen.

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