Meinungen - 26.06.2012 - 00:00 

Konzept für eine grüne Wirtschaft

Unverbindlichkeit prägte die Diskussion an der UN-Nachhaltigkeitskonferenz. Gleichwohl scheint Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Bildung an Bedeutung zu gewinnen. Thomas Dyllick über Rio+20.
Quelle: HSG Newsroom

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22. Juni 2012 Nachdem die UN-Konferenz für Nachhaltige Entwicklung in Rio de Janeiro (Rio + 20) mit einem bereits vor Beginn der zweitätigen Regierungsverhandlungen feststehenden Abschlussdokument beendet worden ist, hat nun die Suche nach einer Beurteilung der Ergebnisse begonnen. Selbst offizielle Regierungsvertreter kommen zu sehr zurückhaltenden Urteilen. Für den Chef der Schweizer Verhandlungsdelegation ist es ein Ergebnis «mit welchem die Schweiz wahrscheinlich leben kann», für die dänische Ministerpräsidentin ist es «einigermassen zufriedenstellend».

Für Vertreter von Umweltorganisationen drohte demgegenüber «Nachhaltigkeit in Rio endgültig zur Farce werden», nachdem die brasilianische Verhandlungsführung alle offenen Punkte, darunter die Anliegen der gesellschaftlichen Organisationen, in letzter Minute aus dem Abschlussdokument entfernt hatte, um den anreisenden Regierungschefs ein für alle akzeptables Dokument vorlegen zu können. 16 der 20 in Mexiko zum G20-Gipfel versammelten Staatschefs entschieden, gar nicht erst weiter nach Rio zu reisen. Obama, Cameron, Merkel und Putin hatten bereits vor dem Gipfel bekannt gegeben, dass sie nicht kommen würden.

Unverbindlichkeit prägt Debatte 
Kritisiert wird zu Recht die Unverbindlichkeit der Erklärungen, die fehlenden expliziten Ziele, Massstäbe und Zeitvorgaben. In politischer Hinsicht ist für die Definition von Nachhaltigkeitszielen ein Weg definiert worden, genauso wie für die Einrichtung eines hochrangigen zwischenstaatlichen Forums für die weitere Koordination der Nachhaltigkeitspolitik. In wirtschaftlicher Hinsicht ist mit der Wende zu einer grünen Wirtschaft sowie der Verabschiedung eines 10jährigen – allerdings freiwilligen - Rahmenprogramms für die Schaffung von nachhaltiger Produktion und Konsum immerhin eine grundsätzliche Weichenstellung definiert worden, die soeben auch am G20-Gipfel zum Programm erhoben worden ist.

Diese Fortschritte sind schwierig zu bewerten, da ihre Umsetzung, jenseits der Forderung nach einer unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung, unverbindlich bleibt und im Belieben der Regierungen und der Wirtschaft liegt. Eine grüne Wirtschaftsordnung ist somit zwar geboren, ihre weitere Entwicklung ist jedoch völlig offen.

Fehlender politischer Wille in Krisenzeiten
Das Nachhaltigkeitsthema wurde zwar gestärkt und das Engagement dafür in allen gesellschaftlichen Bereichen war eindrücklich. Gleichwohl hat Rio die notwendigen politischen Weichenstellungen nicht gebracht. Es ist nicht gelungen einer «Zukunft wie wir sie wollen» – so das Motto von Rio+20 – geschweige denn einer Zukunft, wie wir sie brauchen, zum Durchbruch zu verhelfen. Der Fussabdruck der Menschheit ist jüngst von 1,35 auf 1,5 angestiegen, d.h. wir verbrauchen nun global 150 Prozent der jährlich verfügbaren Biokapazität. Der neue «Global Environmental Outlook» kommt zum Schluss, dass bzgl. der wichtigsten 90 Umweltziele seit der ersten Nachhaltigkeitskonferenz in Rio 1992 lediglich in vier Bereichen Verbesserungen erzielt worden sind: Gerade in Zeiten der Krise fehlt der politische Wille. 

Kann die Wirtschaft in die Presche springen und wirksame Lösungen entwickeln? Der neue Präsident des World Business Council for Sustainable Development betonte am Tag der Wirtschaft, dass Verantwortung und Nachhaltigkeit nach einer ersten Phase philantropischen Engagements heute als integraler Bestandteil der Unternehmensstrategien anerkannt seien. Es ginge nun aber darum, die Wirksamkeit der Massnahmen so zu beschleunigen, dass sich die ökologische Situation tatsächlich verbessere. Die Wirtschaft kann hier nicht nur eine grosse Verantwortung wahrnehmen, sondern hat auch eine Chance, sich im Gebiet Nachhaltigkeit zu profilieren. Unternehmen konnten Umwelt-Engagement in Form einer beachtlichen Anzahl von Initiativen vorweisen. Immerhin, das Thema «Nachhaltigkeit» scheint in Grossunternehmen und bei ihren Führungskräften angekommen zu sein.

Ein Rahmen für die grüne Wirtschaft
Dort, wo Märkte und Konsumenten, wie z.B. im Falle erneuerbarer Energien, bereits in eine nachhaltige Richtung weisen, wird unternehmerisches Engagement und Innovation auch zu neuen Lösungen führen. Dort, wo dies nicht der Fall ist, wird ohne veränderte Rahmenbedingungen und politische Vorgaben für die Märkte nichts passieren. Ein Beispiel: Der CEO der Grossbank Santander in Brasilien, bekannte freimütig, dass Banken ohne Zwang nicht von alleine Nachhaltigkeitsaspekte in ihre finanziellen Bewertungen integrieren würden. Auch wenn dies für die Bankenwelt insgesamt richtig und notwendig wäre.

Über die Entwicklung einer nachhaltigen Managementausbildung diskutierten Konferenz-Teilnehmenden im Rahmen der Organisation PRME. Viele Business Schools beginnen jetzt erst, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Neue Inhalte und andere Lehrformen sind gefragt. Business Schools müssen sich ernsthaft Gedanken machen, wie sie global verantwortliche Manager ausbilden. Wie sie ihre Forschung stärker an den gesellschaftlichen Herausforderungen ausrichten. Aber auch, wie sie ihr öffentliches Engagement stärken können. Oder, mit anderen Worten: Business Schools haben bisher versucht, die Besten in der Welt zu werden, nun geht es aber darum, die Besten für die Welt zu werden.

Bild: Photocase / Thomas K.

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