Meinungen - 09.12.2015 - 00:00 

Klimaverantwortung klein gerechnet

Wie soll die Klimaverantwortung zwischen Produzenten und Konsumenten künftig aufgeteilt werden? Billig ist Verantwortung nicht – auch das ein Grund, warum um sie gestritten wird. Aktuell rechnen wir unsere Klimaverantwortung klein, schreiben HSG-Politikwissenschaftler Klaus Dingwerth und Simon Herr.
Quelle: HSG Newsroom

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7. Dezember 2015. Die UN-Klimakonferenz steht vor der Tür. Ziel ist es, das 2012 ausgelaufene Kyoto-Protokoll durch ein weltweit bindendes Klimaabkommen zu ersetzen, mit dem der Klimawandel auf ein beherrschbares Mass begrenzt werden kann. Doch wie soll dieser Zusammenkunft gelingen, was in vorigen Versuchen wieder und wieder fehlgeschlagen ist? Die vergangenen Verwerfungen, an denen auch der letzte ambitionierte Versuch in Kopenhagen 2009 gescheitert ist, haben ihre Ursache nicht alleine in gegensätzlichen Interessen. Vielmehr liegt das bisherige Scheitern auch daran, dass die beteiligten Staaten ihre «Klimaverantwortung» mitunter sehr unterschiedlich verstehen.

Beitrag zum Klimawandel

Industrieländer berechnen ihren Beitrag zum Klimawandel nämlich gerne als Summe aller Emissionen, die auf ihrem Territorium entstehen; so wollte es auch das Kyoto-Protokoll. Die Schweiz kam damit 2013 auf etwa 50 Megatonnen CO2-Äquivalente pro Jahr, knapp ein Promille des globalen Ausstosses. Für seine Berechnungsgrundlagen legt das Bundesamt für Umwelt fest: «Emissionen, die bei der Produktion von Importgütern (inkl. Importstrom) entstehen, sind nicht berücksichtigt.»

Hier liegt der Stein des Anstosses, denn nicht alle Länder wollen an dieser Art der Berechnung festhalten. Wird zum Beispiel ein Auto produziert, so schreibt die territoriale Perspektive dem Land die Emissionen zu, auf dessen Boden sie entstehen. Schwellenländer wie China, die mittlerweile zu den grössten Emittenten weltweit zählen, fordern einen anderen Ansatz. Sie argumentieren, dass Staaten, die Waren aus China beziehen, auch für die verursachten Emissionen auf chinesischem Boden verantwortlich sein sollten. Wird ein Auto nun in China oder in der Schweiz produziert: Sobald es den Schweizer Endverbrauch erreicht, sollten auch die damit verbundenen Emissionen in die Verantwortung der Schweiz überwechseln. Die Idee erinnert an die im Internet angebotenen CO2-Rechner, mit denen wir unseren privaten Klima-Fussabdruck nachvollziehen können. Auch dort steht, für jeden verständlich, der Verbrauch pro Haushalt im Vordergrund. Wird der Grundsatz nun auf Staaten übertragen, so wären die Konsequenzen freilich gravierend. Die Daten des Global Carbon Atlas für 2011 etwa legen nahe, dass die CO2-Emissionen der Schweiz unter einem reinen Konsumansatz um 85 Megatonnen über den Emissionen lagen, die sich aus einem rein territorialen Ansatz ergeben; in der globalen Rangliste aller Emittenten klettert die Schweiz damit von Platz 70 auf Platz 35.

Nicht konsenfähig
Auf internationaler Ebene wird am Ende weder die territoriale, noch die verbrauchsorientierte Sicht von Klimaverantwortung konsensfähig sein, denn beide tadeln jeweils zu einseitig. Dem territorialen Ansatz fehlen wirksame Anreize, neben dem Angebot auch die Nachfrage nach klimaschädlichen Produkten effektiv zu steuern. Ausserdem ist es ja nicht zuletzt die weltwirtschaftliche Verflechtung und Arbeitsteilung, welche Schwellen- und Entwicklungsländer dazu zwingt, ihre Entwicklungschancen in energieintensiven Produktionsbereichen zu suchen. Eine reine Verbraucherverantwortung wiederum vernachlässigt die Rolle der Produzenten, die an jedem Verkauf verdienen, also auch einen Teil der Verantwortung tragen sollten. Zudem würde sie auch produktionsschwachen Entwicklungsländern eine höhere Last aufbürden.

Am Ende sprechen nicht zuletzt pragmatische Gründe für einen Kompromiss. An die Stelle des territorialen Ansatzes sollte ein Verständnis treten, das indirekte Ursachen für Emissionen mit einbezieht und die Verantwortung fair zwischen Produzenten und Konsumenten aufteilt. Indem es die Verantwortung exportstarker Schwellen- und Entwicklungsländern im Vergleich zur territorialen Bemessungsgrundlage mindert, erleichtert es ihnen die Teilnahme an einem globalen Abkommen. Für Industrieländer bedeutete das freilich ein Zugeständnis. Billig ist Verantwortung also nicht – auch das ein Grund, warum um sie gestritten wird. Doch aktuell rechnen wir unsere Klimaverantwortung klein.

Bild: photocase / kallejipp

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