Meinungen - 15.12.2011 - 00:00 

Klimaschutz braucht Vorbilder

Wie kann bei Ländern die Einsicht reifen, dass Klimaschutz und wirtschaftlicher Wohlstand sich nicht widersprechen? Ein Kommentar von Rolf Wüstenhagen zur UN-Klimakonferenz in Durban 2011.
Quelle: HSG Newsroom

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14. Dezember 2011. Haben Sie Kinder? Dann dürfte das Ergebnis des Klimagipfels in Durban Sie ebenso wenig überrascht haben wie mich. Wenn ich meine siebenjährige Tochter dazu bringen möchte, etwas Gutes zu tun – etwa beim Verlassen des Zimmers das Licht zu löschen – habe ich drei Optionen: Belohnung, Bestrafung und Einsicht. Ähnlich geht es der internationalen Staatengemeinschaft im Hinblick auf den wachsenden CO2-Ausstoss vieler Länder.

In Sachen Belohnung hat man in Durban einen Schritt voran gemacht: Ein Green Climate Fund soll künftig klimaschonende Investitionen in Entwicklungsländern fördern. Für die beiden grössten CO2-Emittenten, China und USA, ist damit jedoch noch nichts gewonnen. Wie steht es um die zweite Option, Bestrafung? Glaubwürdige Sanktionen sind regelmässiger Bestandteil globaler Realpolitik von Irak über Libyen bis Syrien. Doch wer wollte ernsthaft die mächtigsten Länder der Welt wirtschaftlich oder militärisch in die Knie zwingen zur Rettung des Klimas?

Belohnung, Bestrafung oder Einsicht?

Bleibt also noch die Variante Einsicht. Damit dieser Weg in der globalen Klimapolitik Früchte tragen wird, braucht es ein Umdenken. Bislang herrschte vielerorts die Ansicht, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen Wohlstand und CO2-Emissionen gebe. Wer so denkt, hält Klimaschutz und wirtschaftlichen Erfolg für einen Widerspruch – entweder ich verschmutze weniger, oder es geht mir gut. In dieser Perspektive verwundert es nicht, dass Länder wie Indien und die USA sich zwar halbwegs kooperativ zeigen, aber sich ihre Begeisterung für wirksamen Klimaschutz in engen Grenzen hält. Ein bisschen Opfer für das globale Gemeinwohl, okay, aber bitte nicht zu viel.

Neues Denken im Klimaschutz

Eine grundlegend andere Sicht der Dinge ergibt sich, wenn man von einer Entkopplung zwischen Wohlstand und CO2-Emissionen, oder sogar einem negativen Zusammenhang ausgeht. In Durban gab es Indizien für dieses neue Denken. China argumentierte wesentlich nuancierter als früher, und es bildete sich eine neue Allianz aus Europäern und 100 armen Entwicklungsländern. Wer wie China oder manche Länder Europas die weltweit führenden Hersteller von Solarzellen und Windturbinen beheimatet, für den bedeutet mehr globaler Klimaschutz bessere Exportchancen für die heimische Industrie. Umgekehrt klingt die alte These vom positiven Zusammenhang zwischen Emissionen und Wohlstand für Länder wie Bangladesh und pazifische Inselstaaten hohl, denen der Klimawandel die natürlichen Grundlagen des Wirtschaftens zu entziehen droht. Der – wenn auch langsame – Fortschritt der internationalen Klimadiskussion in Durban zeigt, dass allmählich eine kritische Masse von Entscheidungsträgern neu denkt.

Die Kraft des guten Beispiels

Wie kann bei noch mehr Ländern die Einsicht reifen, dass Klimaschutz und wirtschaftlicher Wohlstand sich nicht widersprechen, ja dass das eine geradezu eine Voraussetzung des anderen ist? Hier kommt eine vierte Option ins Spiel – die Vorbildwirkung. Um im eingangs genannten Beispiel zu bleiben – meine Überzeugungskraft wäre gering, würde ich selbst notorisch das Licht brennen lassen und von meiner Tochter das Gegenteil erwarten. Wie steht es in der Klimapolitik? Wenn Doris Leuthard im Wissen um eine konsequente Neuausrichtung der heimischen Energiepolitik auf die klimafreundlichen Optionen Energieeffizienz und erneuerbare Energien nach Durban reist, tut sie das mit hoher Glaubwürdigkeit. Verlangt sie hingegen von den Schwellenländern mehr Engagement im Klimaschutz, während die Schweiz ihre Klimaziele wegen des ungebremsten Wachstums der CO2-Emissionen im Verkehr zu verfehlen droht, fällt es schwerer, die Vorbildwirkung zu erkennen.

Die positive Botschaft aus Durban ist ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass die globale Herausforderung Klimaschutz alle angeht. Damit es künftig aber zu wirksamen Lösungen kommt, muss die Einsicht reifen, dass Klimaschutz und wirtschaftlicher Erfolg Hand in Hand gehen. Nichts ist dafür so überzeugend wie Länder, die klimafreundlichen Wohlstand vorleben. In der Schweiz haben wir es in der Hand – für uns und unsere Kinder.

Foto: Photocase / tingeltin

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