Meinungen - 06.11.2014 - 00:00 

Kann diese «lahme Ente» fliegen?

Kann US-Präsident Barack Obama noch erfolgreich regieren, obwohl er die Kontrolle über den US-Senat verloren hat? Professor James Davis kommentiert die Zwischenwahlen in den USA und sieht Parallelen zu früheren Präsidenten.
Quelle: HSG Newsroom

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7. November 2014. Mitten in der Weltwirtschaftskrise setzte Franklin Delano Roosevelt einen amtierenden Präsidenten mit der Wahlkampfparole «Happy days are here again!» ab. Er übernahm die Präsidentschaft im März 1933 und hob die Stimmung der Nation mit der Behauptung, dass «die einzige Sache, die wir fürchten müssen, Furcht selbst» sei. Ein halbes Jahrhundert später, als die amerikanische Wirtschaft sich von einer anhaltenden Rezession zu erholen schien, errang Ronald Reagan mit dem Wahlkampfmotto: «It’s morning again in America!» eine erdrutschartige Wiederwahl. Es scheint, als sei Optimismus ein Erfolgsgarant in der amerikanischen Politik.

Die Lektion
Weil er 2008 mit dem Slogan: «Yes we can!» gewählt worden war, wurde Obamas Optimismus oft mit jenem von Roosevelt und Reagan verglichen. Aber jetzt, nachdem die demokratische Partei große Niederlagen in den Zwischenwahlen erlitten und die Kontrolle über den US-Senat verloren hat, stellen viele einen anderen Vergleich zu diesen Löwen des letzten Jahrhunderts an. Die implizierte Lektion? Wäre Obama nur ein bisschen mehr wie Roosevelt und Reagan. Wäre er nur in der Lage gewesen, den Republikanern, die ein Klima der Angst schürten, etwas entgegenzusetzen, dann wäre es für die demokratische Partei besser gelaufen!

Es stimmt, die Amerikaner scheinen im Großen und Ganzen ihren Optimismus verloren zu haben, ihren grundlegenden Glauben an eine bessere Zukunft. Und im Großen und Ganzen haben die Republikaner einen Wahlkampf der Angst geführt. Zum Beispiel die Kampagne des neuen Mehrheitsführers im Senat, Mitch McConnell. Der Senator aus Kentucky führte einen Wahlkampf, der die Gefahren des Außenhandels betonte und bezeichnete Präsident Obamas Bemühungen, die USA in Richtung erneuerbarer Energien zu lenken, als einen «Krieg gegen die Kohle». Nicht viel Optimismus an dieser Stelle.

Geschichte neu schreiben
Während McConnell einen erfundenen Krieg kritisierte, versuchten andere Republikaner die Geschichte der gescheiterten Kriege der Vergangenheit neu zu schreiben. Bezeichnend dafür war der neu gewählte Senator aus North Carolina, Thom Tillis, der das Schreckgespenst des Islamischen Staats in seinen Angriffen auf die amtierende demokratische Senatorin Kay Hagan herauf beschwor.

Tillis ignorierte die Tatsache, dass Barack Obama die Wahl mit dem Versprechen gewonnen hatte, die amerikanischen Truppen aus Afghanistan und dem Irak nach Hause zu holen. Er vergass praktischerweise, dass die sektiererische Gewalt, die heute den Irak und Syrien heimsucht, eine direkte Konsequenz von George W. Bushs Invasion des Irak im Jahr 2003 ist, und gab dem Präsidenten und Senatorin Hagan die Schuld am Aufkommen von ISIS. Als Reporter darauf hinwiesen, dass Tillis selbst keinen Plan formuliert hatte, wie man mit ISIS fertig werden sollte, antwortete der republikanische Kandidat: Hagan sei «dafür verantwortlich und sie arbeitet für einen obersten Befehlshaber, der dafür verantwortlich ist.»

Panikmache leistete den Republikanern bei dieser Wahl gute Dienste, aber wären die Dinge anders gelaufen, wenn Obama ein bisschen von Roosevelt oder Reagan hätte? Die Geschichte legt nahe, dass die Antwort «Nein» lautet.

Trotz einer überzeugenden Wiederwahl im Jahr 1936 erlitt Franklin Roosevelt eine verheerende Niederlage bei den Zwischenwahlen im November 1938. Die Demokraten verloren 72 Sitze im Repräsentantenhaus und sechs im Senat. Die Partei des Präsidenten behielt offiziell die Kontrolle über den Senat, aber eine Koalition von Republikanern und konservativen Demokraten aus den Südstaaten legte Roosevelts New-Deal-Politik praktisch lahm.

Trotz Ronald Reagans großer Beliebtheit und der erdrutschartigen Wiederwahl 1984 verlor die republikanische Partei nur zwei Jahre später die Kontrolle über den Senat, als die Demokraten acht Sitze dazu gewannen. Weil er der demokratischen Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat gegenüberstand, war Reagans «konservative Revolution» bei den Zwischenwahlen von 1986 an ihre Grenzen gestoßen.

Inspiration schöpfen
Ob Obama sich als schwacher und wirkungsloser Präsident herausgestellt hat, ist eine Behauptung, über die man diskutieren kann, aber nicht aufgrund der gestrigen Wahlen. Es stimmt, der Präsident wird nicht mehr die nationale politische Agenda bestimmen. In dieser Frage lassen die Wahlen keine Zweifel zu. Zuhause ist Obama tatsächlich eine «lahme Ente», ein Politiker, der innenpolitisch handlungsunfähig ist.

Aber der Präsident kann einige Kraft und Inspiration aus der Tatsache schöpfen, dass sowohl Roosevelt als auch Reagan ihre wichtigsten außenpolitischen Triumphe hatten, nachdem sie die Macht verloren hatten, die nationale politische Agenda zu bestimmen. Nach 1938 führte Roosevelt die Vereinigten Staaten effektiv in den zweiten Weltkrieg und Reagan beendete in den letzten Jahren seiner Präsidentschaft praktisch den Kalten Krieg . Es scheint so, als könnten lahme Enten doch manchmal fliegen.

Foto: Hauninho / photocase.com

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