Forschung - 11.12.2013 - 00:00 

Irland und die Finanzkrise

Welche Faktoren haben Irland unter den europäischen Rettungsschirm getrieben? Einer Studie der Forschungsgemeinschaft für Nationalökonomie (FGN-HSG) zufolge war die Finanzkrise der Auslöser für die finanziellen Schwierigkeiten.
Quelle: HSG Newsroom

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12. Dezember 2013. Etiketten wie «Staatsschuldenkrise» oder «Eurokrise» benennen Symptome, verdecken aber die wahren Ursachen der gegenwärtigen Probleme Europas. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Forschungs-gemeinschaft für Nationalökonomie der Universität St.Gallen (FGN-HSG). Irland geriet demnach nicht in finanzielle Schwierigkeiten, weil es «über seine Verhältnisse lebte».

Finanzkrise stürzt Staatshaushalt ins Chaos
Auslöser war der Studie zufolge vielmehr die Finanzkrise. Sie führte dazu, dass Banken mit Milliardenbeiträgen gerettet werden mussten und über die von ihr ausgelöste Rezession Steuereinnahmen in nicht gekanntem Ausmass wegbrechen liess. Diese durch den Finanzsektor bedingten Entwicklungen wurden durch Panikreaktionen auf den Finanzmärkten verstärkt, was sich in hohen Zinssätzen auf irische Staatsanleihen und extremen Herabstufungen Irlands durch die Ratingagenturen widerspiegelte.

In der Studie fragt eine Gruppe von Forschenden um Prof. Dr. Manfred Gärtner, welche Faktoren Irland unter den europäischen Rettungsschirm getrieben haben. Diese Frage gewinnt Brisanz, weil Irland bis zur Immobilien- und Finanzkrise 2008 mit Europas höchsten Einkommenswachstumsraten in die Spitzengruppe der Pro-Kopf-Einkommen vorgestossen war und als fiskalpolitischer Musterknabe galt. Weiter hatte das Land nach zwei Jahrzehnten konsequenten Schuldenabbaus mit 25% eine der tiefsten Staatsschuldenquoten Europas und schwarze Budgetzahlen vorzuweisen.

Schuldenbremsen sind keine Wundermedizin
Irlands Erfahrung unterstreicht, dass das Mantra «über ihre Verhältnisse» lebender Staaten die eigentliche Ursache des Problems verhüllt. Kein Industrieland kann vergleichbare Entschlossenheit, Einfallsreichtum und politischen Konsens beim Abbau als nicht tragbar erachteter Staatsschulden vorweisen. Aber Irlands Reduktion des Schuldenstands von 110% auf 25% des Volkseinkommens reichte nicht aus, um die Finanzmärkte ruhig zu halten und nicht zum Opfer der Finanzkrise zu werden. Angesichts dieser Erfahrung bleibt rätselhaft, wie staatliches Sparen und Schuldenbremsen den Status einer Wundermedizin gegen vom Finanzmarkt ausgehende Krisen erlangen konnten.

Nimmt man die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzlage von Ländern auf deren Zinsen und Ratingnoten als Massstab, wie sie seit der Jahrtausendwende für die OECD-Mitglieder beobachtet werden konnten, dann hätten die Auswirkungen der Finanzkrise auf Irlands Staatsfinanzen nicht die mit Panik zu bezeichnende Reaktion auf dem Markt für Staatsanleihen auslösen dürfen.

Schlechte Ratings können Krisen auslösen
Irlands Beurteilung durch alle führenden Ratingagenturen ist auffällig. Sie liegt weit abseits der empirischen Muster, die aus Daten für frühere Jahre und andere Länder abgeleitet werden können. In einem Markt, in dem multiple Gleichgewichte und selbsterfüllende Prognosen lauern, stecken in exzessiven Herabstufungen und einem hyperaktiv wirkenden Strom von Ratingevents besondere Gefahren. Jede schlechte Nachricht, ob gerechtfertigt oder nicht, kann eine Krise auslösen oder beschleunigen und einen sich selbst antreibenden Prozess Richtung Staatsbankrott in Gang setzen.

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