Hintergrund - 19.03.2017 - 00:00 

Internationaler Tag des Glücks

Im Interview spricht Dr. Florian Schulz darüber, welche Rolle Glück im Arbeitsleben spielt, warum es keine Anleitung zum Glücklichsein gibt und warum die Schweizer so glücklich sind.
Quelle: HSG Newsroom

20. März 2017. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen erklärte im Jahr 2012 den 20. März zum «Internationalen Tag des Glücks», der die Bedeutung von Glück und Wohlbefinden als universelle Ziele im Leben von Menschen hervorhebt. Dr. Florian Schulz ist Lehrbeauftragter der Psychologie, Leiter der Psychologischen Beratungsstelle und forscht am Lehrstuhl für Organisationspsychologie der Universität St.Gallen.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff «Glück»?

Es gibt sehr viele verschiedene Perspektiven und Assoziationen. Die Bandbreite reicht von einem hedonistischen Verständnis, von einem euphorischen Erleben eines Momentes bis zur positiven Bewertung eines ausgeglichenen, sinnvollen Lebens. Für die Neurowissenschaften spielen wiederum biochemische Prozesse eine entscheidende Rolle, wenn sie über «Glück» sprechen.

Der österreichische Psychologe Paul Watzlawick hat 1983 ein Buch mit dem Titel «Anleitung zum Unglücklichsein» veröffentlicht. Gibt es auch eine Anleitung zum Glücklichsein?

Angestrengtes Glücksstreben macht häufig unglücklich. Zu der Bewertung einer konkreten Situation kommt eine – meist negative – Metabewertung hinzu («Eigentlich müsste ich jetzt glücklich sein, aber …»). Durch diese entgegensetzten Bewertungen geraten die Menschen unter Spannung. Als Psychologe beobachte ich eine zunehmende Unzufriedenheit vieler Menschen, weil sie aus ihrer Sicht nicht leistungsstark oder effizient genug sind. Das kann sämtliche Lebensbereiche betreffen: Studium, Arbeit, Freizeit, Sexualität und Partnerschaft. Weder Ratgeber noch die Psychologie können eine Glücksgarantie versprechen. Als Psychologe kann man Menschen aber helfen, weniger unglücklicher sein, sich selbst weniger im Weg zu stehen, offener gegenüber positiven Erfahrungen zu werden.

Viele Menschen assoziieren Glück mit romantischer Liebe. Welche Rolle spielt Glück im Beruf?

Glück und Emotionen allgemein werden im Arbeitsleben immer wichtiger. Einerseits wollen Arbeitnehmende nicht nur Geld verdienen, sondern sie suchen nach einer Selbstverwirklichung durch die Arbeit. Arbeit muss erfüllend, sinnstiftend sein. Andererseits ist Glück auch ein Verkaufsprodukt. Viele Unternehmen verkaufen mit ihren Produkten und Dienstleistungen auch ein Image, das mit Glück assoziiert wird.

Wie stellen sich die Arbeitgeber auf diese neuen Ansprüche ein?

Sie erlauben den Angestellten mehr Autonomie, mehr Gestaltungsmöglichkeiten und üben weniger Kontrolle aus. Wenn Menschen ihre Arbeit als sinnvoll betrachten und sich mit dem Unternehmen und der Marke identifizieren, profitiert davon auch das Unternehmen, denn es erhält deutlich kreativere und motiviertere Mitarbeitende. Trotzdem birgt das Angebot, Teil einer Marke zu werden, auch kritisches Potential, wenn es zu einer Forderung erhoben wird.

Inwiefern?

Sich vollständig mit dem Unternehmen zu identifizieren und «glücklich» zu sein darf nicht Teil der verlangten Arbeitsleistung werden. Auch wenn sich Unternehmen dies verständlicherweise wünschen, dürfen sie die erteilte Autonomie nicht wieder in Unfreiheit verkehren. Visionen und Leitbilder müssen in Teilen auch individuell abgelehnt werden können, ohne dass Sanktionen drohen. Sonst werden die Mitarbeitenden zynisch und können die Marke auch nicht mehr glaubhaft nach aussen verkörpern. Vielmehr geht es für ein Unternehmen darum, Identitätsarbeit zu leisten und eine Identitätserzählung anzubieten und zu versuchen, die Mitarbeitenden in diese Erzählung mit hineinzunehmen. Die Vision der Universität St.Gallen ist aus meiner Sicht ein gutes Beispiel, sie enthält viel moderne Führungsphilosophie.

Am internationalen Tag des Glücks erscheint der «World Happiness Report», bei dem die Schweiz regelmässig sehr gut abschneidet. Dieses Jahr belegt die Schweiz Platz vier, 2016 war die Schweiz auf Platz zwei, 2015 sogar auf Platz eins. Warum sind die Schweizer so glücklich?

Ich glaube, dass sich Stabilität positiv auf Menschen auswirkt. Wie andere Länder, die regelmässig die Rangliste anführen, ist die Schweiz ein relativ kleines Land. Die Menschen haben die Möglichkeit politischer Partizipation und die Hierarchien sind flach. Viele Studien betonen die Schere zwischen Arm und Reich. Die gibt es natürlich auch in der Schweiz, trotzdem kann ein Grossteil der Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Diese Möglichkeit der Teilhabe ist der eigentliche positive Effekt von Wohlstand, weniger das rein Monetäre.

Bild: adrian_ilie825 / Fotolia.com

north