Campus - 30.08.2018 - 00:00 

Interkulturelle Kompetenzen – Doing Business in Eastern Europe

Was sind «interkulturelle Kompetenzen»? Welche Bedeutung haben sie im universitären Umfeld und wie können sich Studierende diese Schlüsselkompetenz aneignen? Ein Interview mit Gulnaz Partschefeld über interkulturelle Herausforderungen für Studierende und ihren Stellenwert aus russischer Perspektive. Von Studentenreporter Sascha Duric.
Quelle: HSG Newsroom

30. August 2018. Dr. Gulnaz Partschefeld ist Leiterin der HSG Kick-off Days, Student Welcome Services und Graduation Days und Lehrbeauftragte in den Bereichen Tourismus und Geschichte.

Frau Partschefeld, was verstehen Sie unter dem Begriff «interkulturelle Kompetenzen»?

Wie diese Wortkomposition es uns selbst sagt, handelt es sich hier um Kompetenzen – Fähigkeiten, Fertigkeiten, also das Können, in einem anderen kulturellen Kontext bzw. einer kulturell neuen Situation adäquat zu reagieren, verständlich zu kommunizieren, korrekt zu handeln. In der Literatur wird oft von interkultureller Interaktion gesprochen, einem Kommunikationsakt zwischen dem Vertreter der Kultur A und der Kultur B. Da wir aber keine Monokulturträger sind und uns über unterschiedliche gesellschaftlichen Aspekte des Lebens identifizieren, löst sich die moderne Wissenschaft von dieser binationalen Perspektive und erweitert die Zugehörigkeit zu einer Kultur durch zusätzliche wirtschaftliche, soziale, politische und umfeldspezifische Kriterien. Man spricht hierbei nicht mehr von der Interkulturalität, sondern von der Transkulturalität der modernen Gesellschaft, welche hochkomplexe kulturelle Vielfalt in all ihrer Diversität und Verflochtenheit der Kulturen in sich hat.

Welche Rolle nehmen die «interkulturellen Kompetenzen» im universitären Umfeld ein? Bietet die Universität St.Gallen Möglichkeiten an, damit sich Studierende diese Schlüsselkompetenz aneignen können?

Interkulturellen Kompetenzen sind ein unabdingbarer Bestandteil des alltäglichen Lebens an der HSG. Von der internationalen Atmosphäre auf dem Campus bis zu den unterschiedlichen Studienrichtungen sind Kulturen miteinander verbunden. Dazu zählen aber auch unterschiedliche Arten der «corporate culture» – mit Studienrichtungen von Banking & Finance bis hin zu Recht, International Affairs und jetzt neu dem Joint Medical Master ist diese Diversität bereits gegeben. Alleine das Format und die Lage der Universität schaffen bereits einen transkulturellen Bildungskontext, dem man kaum entfliehen kann.

Der einfachste Weg zum Ausbau interkultureller Kompetenzen liegt natürlich über die angebotenen Seminare und Kurse auf unterschiedlichen Studienstufen. Sie können über «Doing business» in verschiedenen Ländern der Welt lernen, sich in mehr als zehn Fremdsprachen vertiefen, und im Rahmen des Kontextstudiums finden sie viele spannende Kurse zu abgedeckten Areas in den speziellen Fokusbereichen Geschichte, Gesellschaft, Kreativität, Medien, Technologien, Recht, Verantwortung und Kulturen.

Sie unterrichten ja selbst im Kontextstudium. Wie erleben Sie die Studierenden in Ihren Kursen? Ist die Bereitschaft zur Interkulturalität da?

Ich bin immer wieder erstaunt, wie gut unsere Studierenden auf solche Angebote reagieren. Die Bereitschaft, eine andere Perspektive anzunehmen, ist da. Im Kurs «interkulturelle Aspekte des Tourismus» setzen wir uns z.B. mit dem Konzept der Authentizität im Tourismus und den interkulturellen Aspekten des Reisens auseinander. Wir diskutieren, wie der Tourismus gleichzeitig die interkulturellen Fähigkeiten fördert und zum Teil aber auch von Pauschalisierung der Kulturen und Stereotypenfestigung begleitet wird.

Dasselbe gilt auch für den Kurs «Kulturgeschichte Russlands», bei dem es mir weniger darum geht, russische Politik oder wirtschaftliche Entwicklung vorzustellen, sondern mehr um das Verständnis, warum Russland so ist wie es ist. Und auch hier ist es wichtig, die Themen von der Entstehung bis hin zur Gegenwart anzuschauen, Verbindungen zu schaffen, manchmal auch eigene Wertevorstellung mit einer anderen Vision zu vergleichen, die westeuropäische Perspektive mit der russischen. Die Studierenden machen gerne solche Reflexionsaufgaben, auch wenn sie am Anfang etwas irritiert sind, dass es sich hierbei um andere Dimensionen handelt als nur «richtig» oder «falsch».

 

 

 

 

Die Formel besteht aus der Auseinandersetzung mit der Geschichte und der Kultur des Landes, einer Reflexion und Selbstreflexion und einer entwickelten Empathie.

 

 

 

In Bezug auf «Doing Business in Eastern Europe», in welchen Bereichen werden Studierende konkret auf interkulturelle Herausforderungen treffen?

Grundsätzlich in allen Aspekten des täglichen Business stecken Herausforderungen, und es laufen derzeit parallel zwei Tendenzen: zur Annäherung an Europa und zur Trennung bzw. Abschottung davon. Dementsprechend treffen sie aktuell auf diese zwei Denkmuster, nach denen Sie sich orientieren können. Was ausserdem wichtig ist, sind etwas andere Werte mit Schwerpunkt auf Konsum, eine andere Wahrnehmung der Genderfrage und vor allem der Homo- bzw. Transsexualität, etwas weniger (im Vergleich zu Europa) Glauben an die Politik und die demokratischen Werte, ein eher kritischer Blick auf die USA und Europa, steigender Patriotismus. Und natürlich eine andere Arbeitsethik, grössere Hierarchieorientierung, ein anderes Zeitverständnis. Dabei finden Sie gleichzeitig Startups mit sehr moderner Arbeitsform, Co-Working Spaces, innovative und innovationsbereite Universitäten und Business Schools. Vermutlich stellt dieser Mix bzw. diese Diversität die grösste Herausforderung für Ausländer dar. Sie finden heute in den Entscheidungspositionen sowohl die etwas mehr westlich orientierten Vertreter der 70er und 80er Generationen, als auch die jüngeren Patrioten des neuen Russlands, aber auch die Menschen, deren grösster Teil des Lebens in der Sowjetunion verging. Oft vermischen sich die Einstellungen in Generationen, und der Umgang mit eigener Geschichte stellt ein hochsensibles und schwieriges Thema dar.

Wie können Studierende auf Russland vorbereitet sein? Sicherlich nicht durch ein Buch mit den s.g. «Dos und Don’ts», auch wenn diese interessante Lektüre sein können. Ich denke, die Formel besteht aus a) der Auseinandersetzung mit der Geschichte und der Kultur des Landes, b) einer Reflexion und Selbstreflexion und c) einer entwickelten Empathie, der Fähigkeit, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen. Auch in einer global vernetzten Welt wollen die Geschäftspartner einander kennen lernen. Eine Sympathie dem Businesspartner gegenüber macht Vieles einfacher und diese emotionale Komponente ist für Russen sehr wichtig. Da müssen sie natürlich für sich entscheiden, ob und wie sie an einem Geschäftsessen teilnehmen, denn da hängt ihre Integration in die russische Kultur direkt mit ihren Fähigkeiten, ausgiebig zu feiern, zusammen. Gleichzeitig wird man sie als Vertreter Ihres Landes sehen, sie werden wahrgenommen als eine Verbindung zur europäischen Kultur, man wird sie mit Stolz den Kollegen und der Familie vorführen und sie werden viele Fragen zum Leben in ihrem Herkunftsland hören. Ich sage meinen Studierenden immer, dass sie nicht Stereotype über Russen, sondern solche über eigenes Herkunftsland vor der Reise studieren, denn der humorvolle Umgang mit Themen und mit eigener Kultur wird geschätzt. Humor kann Eis brechen.

Wie beurteilen Sie den Stellenwert und die Fokussierung auf «interkulturelle Kompetenzen» aus russischer Sicht?

Eine schwierige Frage, aber kurz zusammengefasst war Interkulturalität bereits zu meiner Studienzeit in Russland der 90er Jahre ein Teil des universitären Curriculums, und es ist es auch geblieben, auch wenn die Qualität und die Inhalte sich von Ort zu Ort sehr unterschieden. Der intensive Austausch mit Europa und dem Westen im Allgemeinen hat zum Umdenken beigetragen, dennoch ist aus russischer Perspektive aktuell der Fokus auf den GUS-Staaten. Grosses Entwicklungspotenzial gibt es jedoch noch in Bezug auf die Offenheit der Russen gegenüber anderen Kulturen. Gerade die Schweiz ist eine Art Blackbox oder besser gesagt, eine Kuckucksuhr mit Käsefüllung und Schokoladenguss.

Sascha Duric ist Konversationskursleiter für Schweizerdeutsch sowie für Bosnisch, Kroatisch, Montenegrinisch und Serbisch (BKMS) am Sprachenzentrum der Universität St.Gallen und studiert Rechtswissenschaften im Masterprogramm.

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