Campus - 12.09.2013 - 00:00 

HSG soll mehr Autonomie erhalten

Leben Universitäten im Elfenbeinturm oder verstehen sie sich gar als verlängerter Arm der Wirtschaft? Weder noch, wie das Jahresmediengespräch zur Rolle der Forschung und künftigen Finanzierung der HSG zeigt.
Quelle: HSG Newsroom

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12. September 2013. Mit rund 7700 eingeschriebenen Studierenden für das Herbstsemester 2013, über 80 Professorinnen und Professoren sowie fast 500 Dozierenden und Forschenden, gesamthaft rund 2600 Mitarbeitenden und einem konsolidierten Aufwand von über 208 Millionen Franken ist die Universität St.Gallen nicht nur eine international bedeutende Bildungs- und Forschungsinstitution, sondern auch ein gewichtiger volkswirtschaftlicher Faktor und einer der grössten Arbeitgeber im Kanton St.Gallen.

Im Rahmen ihres Jahresmediengesprächs zum Auftakt des Herbstsemesters stellte die Hochschulleitung daher die heutige und künftige Finanzierung der Universität und − auch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte über die Finanzierungsformen von Lehre und Forschung − die Rolle der Forschung in den Mittelpunkt.

Bewährtes Finanzierungsmodell
Rektor Thomas Bieger zeigte auf, wie die HSG derzeit finanziert ist: Die Universität weist einen konsolidierten Aufwand von 208,3 Millionen Franken aus. Dieser setzt sich aus der öffentlichen Grundfinanzierung und der Selbstfinanzierung inklusive Studiengebühren zusammen. Die öffentliche Grundfinanzierung von rund 50 Prozent besteht aus dem Trägerbeitrag des Kantons St.Gallen, Beiträgen der Herkunftskantone der Studierenden sowie Mitteln des Bundes. Die Gelder der öffentlichen Hand sind als solide und verlässliche Finanzierung eine unverzichtbare Grundlage für die Universität.

Ergänzend zur öffentlichen Grundfinanzierung erwirtschaftet die HSG in der Selbstfinanzierung (Erträge aus der Weiterbildung, Forschungskooperationen und Transferforschung, Dienstleistungsaufträge, Forschungsprogramme, Spenden, Mitgliederbeiträge von Fördervereinen sowie Sponsoring) beträchtliche Mittel, die zusammen mit den Studiengebühren rund 50 Prozent der benötigten Gelder ausmachen. Damit werde nicht nur das Budget des Kantons entlastet, sondern es werde eine Qualität in Forschung und Lehre erreicht, die erst die überregionale Ausstrahlung sowie die beträchtlichen wirtschaftlichen Effekte für die Region und den Kanton St.Gallen ermöglichten, sagte Bieger.

Das Universitätsgesetz ermöglicht es der Universität St.Gallen, sich ergänzend zur öffentlichen Grundfinanzierung und den Studiengebühren selbst zu finanzieren. Die Universität St.Gallen ist sich bewusst, dass die Zusammenarbeit mit Sponsoren und Unternehmen so zu erfolgen hat, dass die akademischen Freiheiten von Lehre und Forschung nicht tangiert werden. Sie legt deshalb Wert auf präzise Spielregeln und vertragliche Regelungen, welche insbesondere folgende zentrale Grundsätze sicherstellen:

  • Wahrung der Freiheit von Lehre und Forschung
  • Verbindlichkeit der HSG-Standards für Lehrinhalte und Lehrplanung
  • Einhaltung der internationalen Standards und der HSG-Regeln für die Berufung und Anstellung von Forschenden und Lehrenden


Die HSG mit ihrem hohen Anteil der Selbstfinanzierung wolle auch im Bereich der Transparenz Vorreiter sein, sagte Bieger. Deshalb habe man im aktuellen Jahresbericht einen Schwerpunkt auf die Darstellung der Finanzierungsstruktur und der damit verbundenen Grundsätze gelegt. Die HSG plant zudem weitere Schritte zu einer transparenteren Darstellung der Selbstfinanzierung. Entsprechend befasst sich auch die Klausur des Senats noch im September mit dem Thema Transparenz.

Pauschalkürzungen des Staatsbeitrags
Wie die Universität sich vor dem Hintergrund sinkender Staatsbeiträge zukunftsfähig finanzieren und dabei ihre Position als führende europäische Wirtschaftsuniversität halten soll, führte Bildungsdirektor und Universitätsratspräsident Stefan Kölliker aus. Die HSG habe mit jährlich über 9 Millionen Franken gegenüber dem universitätsinternen Finanzplan einen wesentlichen Beitrag zu den kantonalen Sparpaketen I und II geleistet. Dieser Beitrag habe nur durch einen reduzierten Aufbau der akademischen Stellen, durch eine Erhöhung der Studiengebühren und das Einfrieren des Budgets der Verwaltung realisiert werden können. Ausserdem seien im Entlastungsprogramm 2013 für die Jahre 2014 und 2015 Pauschalkürzungen des Staatsbeitrages an die HSG von je 2 Millionen Franken sowie für 2016 von 3,5 Millionen Franken vorgesehen.

Mehr Handlungsspielraum
Im Rahmen des Entlastungsprogramms 2013 habe die Regierung für ihre Hochschulen (HSG, Pädagogische Hochschule und Fachhochschulen) die «Einführung mehrjähriger Leistungsvereinbarungen mit verbindlichen Staatsbeiträgen und gleichzeitige Erhöhung der Autonomie» vorgeschlagen. Mit der Einführung mehrjähriger Leistungsvereinbarungen sei die Erwartung verbunden, dass die Hochschulen noch stärker als heute finanzielle Verantwortung übernähmen, sagte der Regierungspräsident. Durch eine erhöhte Autonomie sollen sie befähigt werden, verstärkt unternehmerisch zu handeln. Die Chance, Überschüsse dem Eigenkapital zuzuweisen, und das Risiko, Fehlbeträge aus dem Eigenkapital decken zu müssen, fördere einerseits den haushälterischen Umgang mit vorhandenen (staatlichen) Mitteln und begünstige andererseits die Suche nach zusätzlichen Geldern von Dritten. Privatpersonen oder die Wirtschaft seien eher bereit, Gelder zur Verfügung zu stellen, wenn sie Gewähr hätten, dass ihre Zuwendungen tatsächlich der Lehre oder Forschung an der Hochschule zugutekommen und nicht die Reduktion der öffentlichen Beiträge kompensieren würden.

Anpassung der Rechtsgrundlage
Der Kantonsrat hat das Entlastungsprogramm 2013 im Rahmen von zwei Sondersessionen beraten und dort die Einführung mehrjähriger Leistungsvereinbarungen mit verbindlichen Staatsbeiträgen und gleichzeitiger Erhöhung der Autonomie für die Hochschulen in Aussicht genommen. In den nächsten Monaten soll gemäss Kölliker dazu eine entsprechende Botschaft der Regierung und ein Entwurf zur Änderung des Universitätsgesetzes vorbereitet werden. Noch im Verlauf des Jahres 2014 sollen Botschaft und Entwurf der Gesetzesänderung im Kantonsrat beraten werden. Eine Einführung ist auf den 1. Januar 2015 geplant, spätestens aber auf Anfang 2016 vorgesehen.

Keine weiteren Sparmassnahmen
Konkret gehe die Universität davon aus, dass mittelfristig durch erhöhte Effizienz sowie durchzusätzliche Dienstleistungen und neue Angebote der gesamthaft tiefere Beitrag des Kantons St.Gallen kompensiert werden könne, führte Rektor Bieger aus. «Weil weitere Sparmassnahmen nicht umsetzbar sind, werden in 2014 und 2015 die Lücken von je 2 Millionen Franken durch Reservebezüge gedeckt. Dies ist jedoch nicht über mehrere Jahre möglich, entsprechend müssen ab 2016 die positiven Effekte der Autonomie greifen können.»

Ein wichtiges Element im Konzept einer erhöhten finanziellen Autonomie spielt das international weit verbreitete Fundraising. Zu diesem Zweck ist bereits im vergangenen akademischen Jahr mit der Umwandlung der bestehenden Stiftung HSG Alumni in die HSG Stiftung ein notwendiges Instrument geschaffen worden.

Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung
«Die HSG betreibt Grundlagenforschung auf einem sehr hohen Niveau», sagte Torsten Tomczak, der als Prorektor Forschung Einblick in Rolle und künftige Entwicklung der Forschung an der HSG gab.

So wurde etwa die betriebswirtschaftliche Fakultät der HSG in 2012 vom deutschen Handelsblatt als forschungsstärkste Fakultät des deutschsprachigen Raums ausgezeichnet.

Traditionell ist die HSG-Forschung durch eine sehr hohe Praxisorientierung geprägt. So wurden in jüngerer Vergangenheit an der HSG zahlreiche sogenannte «Labs» gegründet, die den Rahmen für die Zusammenarbeit von HSG-Forschenden mit bedeutenden Industrieunternehmen bilden. «Diese Labs ermöglichen es der HSG, richtungsweisende Grundlagenforschung zu finanzieren und mit hohem Anwendungsbezug zu kombinieren. Derartige Kooperationen bestehen unter anderem mit Unternehmen wie Bosch, BMW, der SBB, SAP oder Hilti», sagte Tomczak.

Eine Zusammenarbeit mit Sponsoren müsse jedoch gut und klar geregelt sein, betonte auch Tomczak. «Die HSG legt Wert auf präzise Spielregeln. Die Freiheit von Forschung und Lehre muss vollumfänglich garantiert sein. Die HSG hat auch schon Sponsoring- oder Kooperations-Angebote aus der Privatwirtschaft abgelehnt, weil sie die Freiheit der Forschung gefährdet sah.»

Um aber auch in Zukunft als eine der führenden Wirtschaftsuniversitäten Europas wahrgenommen zu werden, benötigt die Universität auch global Anerkennung für ihre Forschung. Dies verlange nicht nur die wissenschaftliche Gemeinschaft, sondern auch die Praxis, sagte Tomczak. Dies seien Grossunternehmen und KMU, die sowohl durch hervorragend ausgebildete Studierende als auch durch neuste Forschungserkenntnisse unterstützt werden wollten, wenn sie sich dem weltweiten Wettbewerb stellten – sei es in China oder im heimischen Markt.

Die Forschung der HSG sei zwar bereits heute in einigen Feldern international sehr gut positioniert. Diese Entwicklung zu verstärken, stelle jedoch eine zentrale Aufgabe der nächsten Jahre dar.

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