Meinungen - 12.05.2014 - 00:00 

Güterverkehr in der öffentlichen Wahrnehmung

Die Schweizer Stimmbevölkerung nahm Anfang 2014 die Initiative zu Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI) an. Wolfgang Stölzle über hohe Anforderungen an Logistikabläufe und das geplante Güterverkehr-Terminal in der Ostschweiz.
Quelle: HSG Newsroom

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12. Mai 2014. Verkehrsthemen stehen oft nur am Rande des öffentlichen Interesses – obwohl sie jeden von uns betreffen. Die Annahme der Initiative zu Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur, kurz FABI, wurde von der Resonanz auf die «Zuwanderungsbremse» geradezu verschluckt.

Güter und Waren sollen heutzutage immer und überall sofort verfügbar sein. Dies gilt für Filialen des Detailhandels ebenso wie für Tankstellen, Online-Shops oder auch die Versorgung von Fabriken mit Rohstoffen, Materialien und Komponenten. In der Konsum- und Verhaltensforschung wird von einer gesellschaftlichen Entwicklung der «Sofortness» gesprochen. Spontanität verdrängt Planung im menschlichen Verhalten. Diese Entwicklung verlangt der Logistik eine immer höhere Leistungsfähigkeit ab – und das bei wachsender Sortiments- und Variantenvielfalt und damit zunehmendem Artikelspektrum.

Beschränkte Zahlungsbereitschaft für Logistikleistungen

Die Bereitschaft, für Logistikleistungen zu bezahlen, ist dagegen stark eingeschränkt. Das erkennt man gerade im Online-Handel und der dort vorherrschenden, hohen Sensibilität bei der Akzeptanz von Versandkosten. Dies zeigt auch der grosse Erfolg des versandkostenfreien Geschäftskonzepts von «Zalando».

Zusatzkosten für Retouren werden von E-Commerce-Kunden dagegen nicht goutiert. Noch schwieriger gestaltet sich die Generierung einer Zahlungsbereitschaft für Neuinvestitionen oder schlicht nur den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur. Zwar werden auf letzterer alle Arten von Verkehrsleistungen erbracht – frei nach dem Motto «Verkehr kann nur so gut sein wie die Infrastruktur». Allerdings hat der Bürger mit den Infrastrukturleistungen keinen direkten Berührungspunkt und sieht für sich deshalb auch oft keine direkte Notwendigkeit, Zusatzkosten zu tragen. Als Paradebeispiel dient das Plebiszit über den Preisaufschlag bei der Autobahnvignette, das klar abgelehnt wurde. Und dies, obwohl sogar der Personenverkehr und damit die Bürger direkt adressiert wurden.

Denn generell haben Leistungen – und damit auch Kosten – für die Personen-Mobilität eine vergleichsweise höhere Chance auf Annahme durch das Volk, insbesondere, wenn damit persönliche Vorteile verbunden werden. Dies zeigt die Abstimmung zu FABI, das geschickt mit konkreten Ausbauschritten für den Personenverkehr beschrieben und dem Stimmvolk mit konkreten Vorteilen –- insbesondere beim öffentlichen Verkehr – schmackhaft gemacht wurde. Nicht unbedingt breit bekannt ist, inwieweit das komplexe Finanzierungsmodell von FABI bei den Wählerinnen und Wählern reflektiert wurde. So werden beispielsweise die Kantone zur Kasse gebeten, die direkte Bundessteuer ist über einen Fahrtkostenabzug betroffen und ein Promille der Mehrwertsteuer wird für FABI abgeführt. Zudem steigen die Trassenpreise, was zu erhöhten Preisen für Bahnbillets führen kann. Es steht also die Vermutung im Raum: die Wahrnehmung der individuellen Vorteile war ausschlaggebend für die breite Annahme von FABI. Dennoch: FABI scheint schon wieder aus der Welt zu sein.

Schwieriger wird es, wenn es um Entscheide für den Güterverkehr geht. Denn dieser erfährt fast ausschliesslich eine negative Wahrnehmung in der öffentlichen Meinung. So werden die Lastwagen als Schuldige für Staus, Lärm, CO2-Emissionen, den Klimawandel oder Verkehrsunfälle ausgemacht.

Beim Luftverkehr, der neben Personen auch Fracht befördert, moniert man den Fluglärm und beim Schienengüterverkehr steht ebenfalls der Lärm im Fokus öffentlichen Ärgernisses. Hinzu kommt, dass der Güterverkehr auch im Hinblick auf persönliche Bedürfnisse als störend empfunden wird. So behindern Lastwagen den Autoverkehr etwa bei Überholvorgängen oder verstopfen die Innenstädte durch Be- und Entladevorgänge.

Nur eines scheint nicht klar zu sein: Ohne Güterverkehr würden die Fabriken still stehen, wären die Regale leer und die Tankstellen ohne Treibstoff. Offenbar liegt eine widersprüchliche Wahrnehmung vor: Wir sehen keine Notwendigkeit für Güterverkehr, stören uns allenfalls an den negativen Seiten und vergessen, welchen Nutzen wir davon haben.

Güterverkehr-Terminal in der Ostschweiz 

Nun gibt es in der Ostschweiz die Chance für einen Stimmungswandel: Die Pläne für ein Terminal des kombinierten Verkehrs für Strasse und Schiene in Gossau könnten in der Öffentlichkeit positiv kommuniziert werden: So genannte Bi- und trimodale Terminals ermöglichen den effizienten Einsatz von kombinierten Verkehren und vernetzen Verkehrsträgern. Damit kann eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene erfolgen. Mehr noch: eine Logistikinitiative Ostschweiz würde den Nutzenbeitrag des Güterverkehrs positiv hervorheben. Denn Logistik stiftet Nutzen für den einzelnen Bürger ebenso wie auch für die gesamte Volkswirtschaft. Grundsätzlich gilt: «Logistik ist nicht alles, aber ohne Logistik ist alles nichts!»

Foto: jala / photocase.com

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