Meinungen - 23.01.2018 - 00:00 

Freihandelsabkommen mit den USA – Eine verpasste Chance für die Schweiz?

Der anstehende Besuch des US-Präsidenten Donald Trump am WEF ist eine gute Gelegenheit, die potentiellen Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und der USA auszuloten. Von Reto Föllmi und Stefan Legge.
Quelle: HSG Newsroom

 

23. Januar 2018. Für die Schweiz stellen die USA nach Deutschland den zweitwichtigsten Absatzmarkt dar. Doch auch für die USA ist die Schweiz ein bedeutender Handelspartner und rangiert aktuell auf Platz 12, wenn man Export- und Importvolumen zusammenzählt.
 

Grundsätzlich besteht grosses Potential in einem Ausbau der Handelsbeziehungen zu den USA, wie dies jüngst auch Economiesuisse konstatierte. Im Jahr 2006 wurden die Verhandlungen für ein schweizerisch-amerikanisches Freihandelsabkommen seitens der Schweiz abgebrochen. Angesichts der Rhetorik des aktuellen US-Präsidenten und seiner «America First» Doktrin scheint ein erneuter Anlauf für ein schweizerisch-amerikanisches Freihandelsabkommen derzeit in weiter Ferne. Hat die Schweiz also eine grosse Chance verpasst?
 

Im Jahr 2016 verzeichnete die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) Importe im Gesamtwert von 266 Milliarden Franken sowie Exporte von 298 Milliarden. Von den Importen kamen 24 Milliarden oder gut 9 Prozent aus den Vereinigten Staaten. Dem stehen über 36 Milliarden an Ausfuhren in die USA gegenüber.
 

Allein von den Zöllen her könnte man schliessen, dass zwischen der Schweiz und den USA bereits weitgehend Freihandel herrscht. Für die Importe im Jahr 2016 wurden insgesamt 35,4 Millionen Schweizer Franken oder 0,15 Rappen pro Franken Importwert an Zoll entrichtet. Dies ist auch deshalb so wenig, weil 18,8 Milliarden, oder 78 Prozent des gesamten Importwerts, gänzlich zollfrei waren.

Hohe Zollbarrieren für einzelne Branchen

Hohe Zollbarrieren existieren allerdings noch für einzelne Branchen. Beispielsweise wurde auf Milcherzeugnisse im Durchschnitt 42,1 Prozent Zoll entrichtet. Das Importvolumen fiel angesichts dieser hohen Importbarriere mit 10,5 Millionen Franken entsprechend gering aus. Den hohen Zöllen auf Agrarprodukte stehen Importe über 21,7 Milliarden von hauptsächlich Industriegütern gegenüber, für die ein durchschnittlicher Zollsatz von 0,15 Prozent gezahlt wurde.
 

Auf beiden Seiten des Atlantiks gelten für die meisten Produktgruppen Zollsätze von unter fünf Prozent. Bei einer vollständigen Abschaffung der Zölle würden schweizerische Exporteure weit über 100 Millionen Schweizer Franken sparen, wenn man pro Gütergruppe den durchschnittlichen Tarif mit den Schweizer Exporten in die USA multipliziert. Bei dieser Rechnung zeigt sich, dass u.a. die Uhrenindustrie (2,1 Milliarden Exporte, 77,7 Millionen Zollertrag) von einem Freihandelsabkommen profitieren würden.

Zölle nicht das einzige Handelshindernis

Die Zölle sind jedoch bei Weitem nicht das einzige Handelshindernis. So zeigt der Global Trade Alert, dass viele Länder vermehrt auf nichttarifäre Handelsbarrieren setzen, um heimische Industrien zu schützen. Ein umfassendes Abkommen würde darum auch die Vereinheitlichung von Industriestandards, Prozeduren und Regulierungen beinhalten. Ein Freihandelsabkommen mit den USA bietet für die Schweiz eine Gelegenheit, den Zugang zu einem wichtigen Absatzmarkt zu verbessern.
 

Wichtige Handelspartner und –konkurrenten wie die Europäische Union streben genau solche Abkommen an. Zwar liegen die Verhandlungen über eine umfassende transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) derzeit auf Eis – auch wegen der aktuellen US-Administration. Jedoch zeigen sowohl das Abkommen mit Kanada (CETA) sowie mit Japan, dass die Schweiz gefordert ist. Die geringe Grösse der Schweiz könnte in dieser Konstellation gerade ein Vorteil für erfolgreiche Verhandlungen sein – weil bei einem Abkommen mit der Schweiz die vorgeblichen US-Arbeitsplatzverluste beschränkt wären.

Reto Föllmi ist Ordentlicher Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen am Schweizerischen Institut für Aussenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung (SIAW-HSG).
 

Stefan Legge, Ph.D., ist Lehrbeauftragter für International Economics am Schweizerischen Institut für Aussenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung (SIAW-HSG).
 

Bild: Fotolia / Onur

 

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