Veranstaltungen - 19.12.2011 - 00:00 

Es bleiben Fragen zur Eurozone

Hat das Treffen des europäischen Rates in Brüssel am 8. und 9. Dezember Hoffnungen auf eine Lösung der Krise in der Eurozone geweckt? Die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion an der HSG haben Zweifel.
Quelle: HSG Newsroom

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16 December 2011. Anlässlich des Treffens des europäischen Rates in Brüssel Anfang des Monats war die Hoffnung gross, dass Europa einer Lösung der aktuellen Wirtschaftskrise näher kommt. Das Diskussionsforum an der Universität St.Gallen ist jedoch der Meinung, dass wir uns weiter weg von einer Lösung bewegt haben.

Am Diskussionsforum zum Thema «Auswirkungen der Eurozonenkrise» nahmen Simon Evenett, Professor für Aussenwirtschaft und Entwicklung, Manuel Ammann, Professor für Finance, und die Politikwissenschaftler James Davis und Dirk Lehmkuhl teil. Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Folgen der andauernden Krise für Politik, Banken und Wirtschaft.

Das Brüsseler Abkommen
Zu Beginn der Diskussion fasste Prof. Lehmkuhl zusammen, was in Brüssel beschlossen wurde. Dabei betonte er einen Beschluss auf nationaler Ebene zur Einführung einer Schuldenbremse mit automatischen Sanktionen, wenn das Defizit eines Landes 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes übersteigt.

Ausserdem wird ein finanzieller Stabilitäts- oder Bailout-Mechanismus, finanziert durch Mittel der Regierungen, in den Vertrag der europäischen Union aufgenommen. Obwohl diese Entwicklungen vielversprechend scheinen, bleiben sowohl die Struktur dieses Mechanismus als auch die meisten Beschlüsse unklar.

«Es hängt immer noch viel von einer Verfassungsänderung und von den Direktoren und Aufsichtsbehörden ab», sagte Lehmkuhl und erklärte, dass ein Grossteil der tatsächlichen Struktur der Beschlüsse und Mechanismen bis März 2012 entwickelt und verkündet werde. «Erst dann werden wir wirklich die Komplexität der ganzen Geschichte kennen.»

Ist das genug?
In einem war man sich bei der Diskussion mehrheitlich einig: Dass europäische Investoren, einschliesslich der Europäischen Zentralbank, nun beobachteten, ob die Regierungen der Eurozone konkrete Schritte unternehmen, um ihre Finanzen unter Kontrolle zu bringen, bevor sie noch riskantere Schulden aufkaufen. Da aber am Ende des Brüsseler Treffens viele Entscheidungen offen blieben, war das Signal zu vage und beruhigte weder Investoren noch die EZB.

«Ich finde, wir stehen eigentlich schlechter da als vor zwei Wochen», sagte Evenett. «Es herrscht im Grunde weniger Klarheit. Die EZB ist kein Stück näher daran, der Kreditgeber letzter Instanz zu sein und das Problem breitet sich aus.»

Reaktionen des Marktes
Der Markt scheint derselben Ansicht wie die Diskussionsteilnehmer zu sein, denn auf der ganzen Welt überschlugen sich die Aktienkurse. Der Euro fiel auf den tiefsten Stand der letzten elf Monate und für das hochverschuldete Italien erhöhten sich die Kosten für Anleihen. «Ich denke, der einzige Grund, warum die Finanzmärkte nicht noch mehr in Aufruhr und noch pessimistischer sind, ist die Hoffnung, dass die EZB am Ende einschreitet und die Defizite der Regierungen finanziert», sagte Ammann. «Es ist jedoch problematisch, in diesem Zusammenhang über die EZB zu reden, weil sie nie ein Kreditgeber letzter Instanz für die Länder sein sollte. Sie war für die Banken gedacht.»

Warum ist es so schwierig zu handeln?
Davis sprach über den Verlust des Vertrauens in die politischen und wirtschaftlichen Institutionen und richtete das Augenmerk auf die Spannung, die durch die Differenz von ökonomischer und politischer Logik entsteht. Mit Blick auf Deutschland sagte er, dass Kanzlerin Angela Merkel vor dem, wie er es nannte, «Paradox des finanziellen Erfolges» stehe.

«Wenn Merkel kostspielige Massnahmen ergreift, um das Finanzsystem zu retten und diese erfolgreich sind, werden die Wähler sie dafür abstrafen», sagte Prof. Davis. Nachdem man etwas unternommen habe, sähen die Wähler nur die Kosten und nicht das, was verhindert wurde. «Sie glauben dann nicht, dass die Kosten notwendig waren.»

Im nächsten Wahlkampf wäre Merkel in der Zwickmühle: Wahrscheinlich werde sie von den Wählern danach beurteilt, ob sie handelt, um das Finanzsystem zu retten oder nicht. Dieser Konflikt zwischen politischen und ökonomischen Kräften hat zu einem Vertrauensverlust zwischen zwei Gemeinschaften geführt, die eigentlich zusammenarbeiten müssen. Wenn jede Seite der anderen die Schuld gibt – Politiker geben den Banken die Schuld, die Banken den Politikern und die Investoren allen beiden – wird es schwerer, zu einer dauerhaften Übereinstimmung zu kommen.

Picture: Photocase / C-PROMO.de

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