Meinungen - 22.11.2012 - 00:00 

Entscheiden heisst verantworten

Welche Verantwortung tragen Unternehmen? Günter Müller-Stewens über den Fall des Ölkonzerns BP und das Konzept von «Responsible Leadership».
Quelle: HSG Newsroom

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26. November 2012. Anfang November 2012 wurde der britische Ölkonzern BP in Folge der Explosion der Bohrinsel «Deepwater Horizon» im Golf von Mexiko im April 2010 zu einer an die US-Behörden zu zahlenden Geldstrafe in Höhe von 4,5 Mrd. US-Dollar verurteilt. Der nach der Katastrophe neu eingesetzte BP-Chef Bob Dudley entschuldigte sich nach dem Urteil: «We apologize for our role in the accident, and as today’s resolution with the U.S. government further reflects, we have accepted responsibility for our actions

Elf Menschen fanden dabei den Tod. Fast 800 Mio. ausgelaufene Liter Öl führten zu einer Umweltkatastrophe an der Golfküste. Für die daraus erwachsenen Kosten stellte BP 38 Mrd. US-Dollar zurück, die jedoch vermutlich nicht ausreichen werden, da noch zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht wurden. Dem Unternehmen wird grob fahrlässiges Handeln vorgeworfen.

Werte müssen Wort halten
Auf der Homepage von BP kann man die Werte nachlesen, auf die sich das Unternehmen verpflichtet hat: «Safety, Respect, Excellence, Courage, One Team». Unter «Safety» steht dort: «Safety is good business. Everything we do relies upon the safety of our workforce and the communities around us. We care about the safe management of the environment.»

Die Mehrzahl der grösseren Unternehmen verfügt heute über derartige Aussagen zu den Werten für die das Unternehmen steht. Diese sind leicht niedergeschrieben, doch Ereignisse wie das obige können dann sehr schnell zur Stunde der Wahrheit oder dem «proof of the pudding» werden: Handelt es sich bei diesen Proklamationen von Firmenwerten nur um einen «Papiertiger», oder werden diese Werte wirklich gelebt bzw. werden Mitarbeiter bei einem nicht wertkonformen Verhalten zur Verantwortung gezogen?

Wirkung ist wichtiger als Absicht
Verantwortungsfähig in einem ethischen Sinne sind an dieser Stelle allein die einzelnen Führungskräfte. Sie sind die zur freien Entscheidung befähigten Entscheidungsträger des Unternehmens. Ihre moralische Verantwortung kann weder mit anderen geteilt noch auf ein Kollektiv übertragen werden. Letzteres kann nur in einem rechtlichen Sinne schuldig gesprochen und damit zur Verantwortung gezogen werden.

Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn der Vorstand nicht entlastet würde. Der moralische Wert der Entscheidung oder Handlung des Einzelnen bemisst sich dabei daran, wie sorgfältig und befreit von Partikularinteressen (also auch von den eigenen Interessen) die dabei anfallenden Pflichten- und Güterabwägungen vorgenommen wurden und ob dabei auch die Folgen für die Beteiligten und Betroffen angemessen mit einbezogen wurden. Was hier also zählt, sind die durch die Anspruchsgruppen erfahrenen Wirkungen und weniger die Absichten der Entscheidungsträger.

Persönlich Sorge tragen
Ein «Responsible Leadership» erfordert demnach Führungskräfte, die persönlich Sorge tragen für die Anliegen ihrer Anspruchsgruppen. Sie müssen über ausgeprägte moralische Werte verfügen und auch moralisch bewusst handeln. Sie delegieren diese Aufgabe auch nicht abstrakt an ein Gremium, sondern zeigen in dieser Sache Gesicht.

In diesem Sinne erfordert ein auf Langfristigkeit ausgerichtetes Unternehmen eine Führungsmannschaft, deren Mitglieder durch ein wertebasiertes und durch ethische Prinzipien getragenes Verhältnis zu den Anspruchsgruppen charakterisiert sind. Für diese Führungskräfte sollte der Profit nicht ein Ziel für sich sein, sondern nur ein Mittel, um den an die jeweiligen Anspruchsgruppen gerichteten Nutzenversprechen näher zu kommen. D. h. dass diese Führungskräfte verbunden sind durch ein gemeinsames Verständnis zum Zweck des Unternehmens, das dazu führen sollte, dass es zu einer nachhaltigen und ausgewogenen Schaffung von Wert für die Anspruchsgruppen kommt.

Was ein verantwortliches Führen allerdings oft sehr herausfordernd macht ist der dilemmatische Charakter vieler Entscheidungen. Ein solches Dilemma im Falle BP könnte z. B. gewesen sein: Wie viel Sicherheit wollen wir uns leisten in Anbetracht der finanziellen Erwartungen unserer Aktionäre? Rückwirkend betrachtet hätte man sich angesichts der nun durch den Unfall erlittenen Verluste deutlich mehr Sicherheit leisten können.

Bild: Photocase / Fiebke

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