Campus - 23.11.2015 - 00:00 

Eindrücke aus Paris

HSG-Masterstudent Maximilian Klein verbringt momentan sein Auslandssemester an der HEC Paris. In diesem Beitrag schildert er, wie er die Anschläge am 13. November 2015 und die Zeit danach erlebte.
Quelle: HSG Newsroom

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23. November 2015. Es hätte ein ruhiger Abschluss einer anstrengenden Woche sein sollen. Doch plötzlich kam alles anders. Gemeinsam mit einigen Mitstudierenden traf ich mich hier an der HEC Paris in einem Vorlesungssaal, um zusammen das Länderspiel Frankreich gegen Deutschland zu schauen. So nahmen auch wir während der Fernsehübertragung Notiz von jenen lauten Knallen, die sich später als Detonationen herausstellten. Nur wenige Minuten später lasen wir zunächst in französischen Medien von einer Schiesserei sowie Detonationen in der Innenstadt. Was in den kommenden Minuten und Stunden folgte, war nur noch surreal.

Kontakt zu den Freunden
Während wir die erste Meldung einer Schiesserei nur als gelegentliches Phänomen einer Grossstadt einordneten, erlangten wir wenig später Gewissheit über das Grauen, das eigentlich geschah: Im Minutentakt folgten weitere Schreckensmeldungen. Das Fussballspiel war schnell Nebensache, gebannt sassen wir vor unseren Handys, verfolgten die Live-Ticker zu den Geschehnissen und kontaktierten vor allem alle Freunde, die an diesem Abend in der Innenstadt oder im Stadion waren, um uns zu vergewissern, dass es ihnen gut geht und sie in Sicherheit sind. Einige waren zu diesem Zeitpunkt in Restaurants und Bars eingeschlossen, ohne genau zu wissen, was sich ausserhalb der vermeintlich schützenden Mauern zutrug. Erst einige Stunden später, nachdem wir noch lange gebannt und fassungslos die Berichterstattung verfolgt hatten, und viele weitere Studierende die Sicherheit des Campus' einige Kilometer vor der Stadt erreicht hatten, versuchten wir alleine das Gesehene und Erlebte beim Einschlafen zu verarbeiten.

All die Schauplätze des Grauen und der Angst waren Orte, die ich selber schon besucht hatte und in deren Umgebung ich mich auch in Zukunft in Paris aufhalten werde, selbst hatten wir noch am Donnerstag versucht an Tickets für das Länderspiel zu kommen. Ich erhielt unzählige Anrufe und Nachrichten von Freunden und Familie, um zu bestätigen, dass es mir gut geht und tätigte selbst viele Anrufe und Nachrichten, um mich zu vergewissern, dass Freunde in Sicherheit sind.

Sicherheitsvorkehrungen am Campus

Unter den Opfern war auch ein Student der HEC Paris. Während der dreitägigen Staatstrauer fielen alle Prüfungen aus, die Sicherheitsvorkehrungen auch hier auf dem Campus wurden verstärkt. Externen ist der Zugang nicht gestattet. Während der darauffolgenden Tage fiel die Konzentration mir und anderen sichtlich schwer. All dies führte dazu, dass mir die Terroranschläge vom 13. November 2015 näher erscheinen und mich mehr beschäftigen, als noch die Anschläge vom Januar in Paris oder jene von Beirut wenige Tage vorher.

Herzlichkeit auf der Strasse
Was bleiben und was sich verändern wird, ist noch ungewiss. Spürbar ist jedoch, dass die Bevölkerung in den folgenden Tagen enger zusammengerückt ist und eine Welle der gegenseitigen Herzlichkeit und Aufmerksamkeit sich verbreitete. Aus flüchtigen «Bonjours» und «Au revoirs» wurden ein Lächeln, das man sich gegenseitig zuwirft oder Unterhaltungen, auf der Strasse, im Supermarkt, in der Metro. Es ist ein gemeinsames Besinnen auf die Werte, die dieses Land vertritt: Liberté, Fraternité, Egalité. Sie werden so stark wie wohl selten zuvor heraufbeschworen und gelebt, während Paris langsam den Weg hin zur Normalität begeht, sich die Strassen wieder füllen und die Pariser wieder ihre gewohnte Lebensfreude verkörpern.

Und doch ist gleichzeitig eine gewisse Nervosität und Unruhe zu verspüren. Nur zwei Tage nach den Anschlägen kam es zu einer panischen Flucht während einer Gedenkveranstaltung an einem Pariser Platz, ausgelöst durch Feuerwerkskörper. Ich selbst sass neulich mit zwei Mitstudenten in einem Gruppenraum, als wir undefinierbares Gekreische aus dem Nebenraum vernahmen. Sofort unterbrachen wir die Arbeit, schauten uns sichtlich beunruhigt an und vergewisserten uns, dass alles in Ordnung war. So sind die Anschläge auch noch Tage danach in unseren Köpfen verankert. 

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