Campus - 12.09.2016 - 00:00 

Ein Studium für die Welt von morgen

Der gesellschaftliche Wandel und die Digitalisierung machen auch vor den Universitäten nicht halt. Wo bisher eine Vorlesung für Hunderte von Studierenden genügte, ist heute vermehrt ein kreativer Austausch gefragt. Mit innovativen Lehrformaten sowie modernen Räumlichkeiten wie einem Trading Room und ab Frühjahr 2017 einem «Learning Studio» will die HSG eine zukunftsfähige Ausbildung anbieten.
Quelle: HSG Newsroom

12. September 2016. Im Rollenspiel als Diplomat auftreten, eine App programmieren oder Filme drehen − dies sind Lehrveranstaltungen, die man nicht unbedingt an einer Wirtschaftsuniversität wie der HSG vermuten würde. Doch das ist genau das Ziel: «Um den Anforderungen an eine zukunftsfähige Ausbildung gerecht zu werden, will die HSG künftig noch mehr unkonventionelle und innovative Lehr- und Lernformen einsetzen», skizzierte Prorektor Lukas Gschwend die Zukunft der Lehre an der HSG im Rahmen des Jahresmediengesprächs.

Herausforderungen für die akademische Lehre

Gesamthaft bietet die HSG ihren Studierenden jedes Semester über 900 Lehrveranstaltungen. Die Milleniumsgeneration ist jedoch geprägt vom elektronischen Kommunikationszeitalter. Daraus ergeben sich neue Herausforderungen an die akademische Lehre: Wie können Studierende dauerhaft zum Lernen motiviert und auch selbständiges Lernen unterstützt werden? Wie lassen sich Bezüge zu Forschung und Praxis in den Hörsaal integrieren? Und wie können Handlungskompetenzen, kreatives Denken und Führungsqualitäten noch lebendiger vermittelt und die Interaktion zwischen Studierenden und Dozierenden intensiviert werden?

Diskussion und Anwendung statt Frontalunterricht

Die traditionelle akademische Lehre in Kontinentaleuropa hat bisher stark auf Frontalunterricht und Wissensvermittlung gesetzt. Interaktive und visuelle Elemente würden erst teilweise eingesetzt und auch die Vermittlung von Anwendungsfähigkeiten liessen vielfach noch zu wünschen übrig, sagte Gschwend. Die heutigen Studierenden erwarten jedoch mehr Reflexion, Diskussion, Feedback der Dozierenden sowie Übungen und Fallstudien statt reines Auswendiglernen. Auch Gesellschaft und Arbeitgeber erwarten von Universitätsabsolventen neben der Fachkompetenz, dass sie fähig zur kritischen Analyse und zu interdisziplinärem Denken sind, Gelerntes anwenden können, Teamgeist zeigen und offen sind für neue Entwicklungen.

Im internationalen Bildungswettbewerb bestehen

Um auf dem Feld der Lehre im internationalen Bildungswettbewerb ihre traditionell starke Position zu verteidigen, hat die HSG bereits einiges angestossen und umgesetzt. Neue Infrastrukturen wie ein Trading Room, ein Arena-artiger Vorlesungsaal oder neue Lernplätze für Studierende wurden realisiert. Am Jahresmediengespräch machten Professor Karl Frauendorfer und Assistenzprofessor Robert Gutsche eine Einführung in den Trading Room an der Tellstrasse 2.

Um die Entwicklung innovativer Lehrformen zu unterstützen und bereits umgesetzte Ideen sichtbarer zu machen, führte die Universität zudem bereits zweimal einen «Tag der Lehre» durch. Von morgens bis abends stand das Bibliotheksgebäude im Zeichen des Austausches zu Lehr- und Lernprozessen. Auch wurden im vergangenen akademischen Jahr neue didaktische Konzepte wie videogestütztes Selbststudium, eine interaktive Fallstudie oder ein Massive Open Online Course (MOOC) zu finanzieller Führung ausprobiert und eingesetzt.

«Learning Studio» als Testumgebung

Bei diesen ersten Schritten will es die HSG aber nicht bewenden lassen. Im Rahmen eines «Teaching Innovation Lab» soll ein Team aus diversen Bereichen weitere Formate wie Videos, Webinars oder Podcasts fürs Studium entwickeln und insbesondere die Dozierenden bei der Einführung digitaler Lehrformen wie z.B. Fallstudien unterstützen.

Bis zum Frühjahrssemester 2017 soll zudem im Lehrpavillon auf dem Campus ein «Learning Studio» eingerichtet werden. Dieses soll mit beschreibbaren Wänden, abtrennbaren Räumen sowie flexiblem Mobiliar ausgestattet sein, um als Testumgebung für Lehrräume der Zukunft dienen zu können. Dieser Raum soll insbesondere Dozierenden zur Verfügung stehen, die interaktive Lehrformate im Unterricht einsetzen wollen.

Mit all diesen Massnahmen erhofft sich die Universitätsleitung auch Erkenntnisse im Hinblick auf die Anforderungen an die Infrastruktur eines erweiterten Campus. Und sie möchte mit Innovationen in der Lehre ihre Studierenden möglichst optimal für die Welt von morgen ausbilden.

Campus-Erweiterung auf Kurs

In seinen einleitenden Worten präsentierte Regierungsrat Stefan Kölliker drei erreichte Meilensteine des vergangenen Universitätsjahres. Erstens kann nach den abgeschlossenen Testplanungen der eingeschlagene Weg einer Erweiterung der HSG am Rosenberg und am Platztor weiterverfolgt werden. Das Bibliotheksgebäude soll saniert werden. Zudem ist auf dem Rosenberg ein sogenanntes «Learning Center» geplant, das v.a. Lernplätze für Studierende beinhalten soll. Es ist vorgesehen, dass bei der Finanzierung vor allem private Mittel von Förderern zum Tragen kommen. Die Bauprojekte am Rosenberg und am Platztor werden in getrennten Projekten weiterbearbeitet. So können sie unabhängig voneinander vorangetrieben werden. Voraussichtlich Ende 2016 wird die Regierung über die Projektdefinitionen beraten. Danach folgen die parlamentarischen Verfahren. 2018 wird die St.Galler Bevölkerung über die Erweiterung befinden können.

Schwerpunkt Informatik

Als zweiten Meilenstein erachtet Kölliker die Anfang 2016 von der Regierung gestartete Bildungsoffensive, um dem Fachkräftemangel im Informatikbereich im Kanton entgegenzuwirken. Neben Projekten an den Mittelschulen und der Fachhochschule St.Gallen soll auch die Universität St.Gallen einen weiteren Schritt in Richtung digitales Zeitalter machen. Ein durch die Industrie- und Handelskammer St.Gallen-Appenzell (IHK) finanzierter Prüfauftrag soll zeigen, wie an der HSG ein «Schwerpunkt Informatik» eingerichtet werden könnte.

Rektor Thomas Bieger machte deutlich, dass die Digitalisierung Universitäten grundsätzlich herausfordert und zeigte auf, wie die HSG damit umgehen will. Ab Herbst 2017 sollen im Wahlbereich neu Programmierkurse angeboten werden. Die Digitalisierung als gesellschaftliches Phänomen soll auch Gegenstand von Lehrveranstaltungen im Kontextstudium sein. Ab 2018/19 plant die HSG zudem die Gründung eines «Department of Information Science» mit drei Lehrstühlen, um die nötige Methodenkompetenz in der Forschung zu sichern. Je nach Resultaten des Prüfauftrages der IHK, die auf Ende 2016 zu erwarten sind, könnte ein Studienschwerpunkt Informatik im Jahr 2020 starten.

Medical Master St.Gallen

Der dritte Meilenstein sind die Schritte in Richtung einer Medizinausbildung für die Ostschweiz im Rahmen einer Kooperation der Universitäten St.Gallen und Zürich sowie des Kantonsspitals St.Gallen (KSSG). Der Fahrplan sieht vor, dass bereits im Herbstsemester 2017 die ersten rund 40 Studierenden der «St.Galler Kohorte» an der Universität Zürich ihr Bachelor-Studium in Medizin beginnen. Ab 2020 werden sie dann mehrheitlich ihren Master in St.Gallen absolvieren, der zu einem Joint Degree der Universitäten St.Gallen und Zürich führen wird. Entscheide, ob St.Gallen Mittel aus der Anschubfinanzierung des Bundes erhält, werden Anfang 2017 erwartet. Sowohl Kölliker als auch Bieger zeigten sich überzeugt, dass das Kooperationsmodell mit der Universität Zürich und dem KSSG das optimale und machbare Projekt sei, mit dem die Universität St.Gallen ihre Kernidentität wahren könne. Für die HSG sei es eine grosse Chance, da sie damit einen Anschluss zum wissenschaftlichen Wachstumssegment der Medizin und der Gesundheitsforschung erhalte. Rektor Bieger wiederum betonte, dass dieses Studium einen wichtigen Beitrag zur Attraktivität des Standorts St.Gallen leiste und sich die HSG auch deswegen stark dafür engagiere. Sie werde auch im fortlaufenden Projekt gerne ihre Stärken in den Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften einbringen.

Vision 2025

Dass die HSG auch über das Jahr 2020 hinausdenkt, zeigt sich in der Verabschiedung ihrer Vision 2025 durch den Universitätsrat. Dazu wurde die Vision 2020 in einem internen, partizipativen Prozess überarbeitet. Drei zentrale Veränderungsprozesse im universitären Umfeld prägten die neue Vision: Die Nachfrage nach Bildung nimmt weltweit zu, was sich an der HSG, aber auch in der ganzen Schweiz nach wie vor in einem Wachstum der Studierendenzahlen manifestiert. Gleichzeitig nimmt der Anteil an staatlicher Finanzierung für Universitäten praktisch überall ab. Um eine überdurchschnittliche Qualität leisten zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben, werden daher Finanzierungsformen durch Private ansteigen müssen. Als staatliche Universität wird die Herausforderung für die HSG somit noch grösser, zu den Top-Universitäten der Welt zu gehören. Die Universität St.Gallen müsse sich also weiter entwickeln, um in diesem weltweiten Wettbewerb der Ausbildungsinstitutionen und -standorte bestehen zu können, sagte Bieger. Daher lautet die Vision 2025 nun wie folgt: «Als führende Wirtschaftsuniversität setzen wir in Forschung und Lehre weltweit Massstäbe, indem wir integratives Denken, verantwortungsvolles Handeln und unternehmerischen Innovationsgeist in Wirtschaft und Gesellschaft fördern.»

north