Meinungen - 30.07.2018 - 00:00 

Daniel M. Häusermann über Trumps Nominierung von US-Richter Kavanaugh

«Integrität über alles» - Ein persönlicher Blick auf Donald Trumps Kandidaten für den Supreme Court von Daniel M. Häusermann. Was bedeutet die Nominierung von Richter Brett Kavanaugh für das höchste US-amerikanische Gericht?<br/>
Quelle: HSG Newsroom
Supreme Court nominee Brett Kavanaugh glances at reporters during a meeting with Sen. James Lankford, R-Okla., on Capitol Hill in Washington, Thursday, July 19, 2018. (AP Photo/Manuel Balce Ceneta)

30. Juli 2018. Was in Europa undenkbar wäre, ist in den USA geschehen. Am 9. Juli 2018 gab Donald Trump zur besten Sendezeit im Fernsehen die Nominierung eines Richters bekannt. Seine Wahl für den frei werdenden Sitz am U.S. Supreme Court fiel auf Brett Kavanaugh, Berufungsrichter und Lehrbeauftragter für Verfassungsrecht in Harvard und an anderen amerikanischen Law Schools.

Die zweitwichtigste Entscheidung des Präsidenten

Kavanaugh selbst hält die Nominierung von Richtern für den Supreme Court für die zweitwichtigste Entscheidung, die ein US-Präsident überhaupt fällen kann; wichtiger sei nur die Entscheidung, in den Krieg zu ziehen. Die neun Richter am Supreme Court können Gesetze für verfassungswidrig erklären, und der einzige Weg, eine Entscheidung rückgängig zu machen, ist eine Verfassungsänderung, die praktisch unmöglich ist.

Falls vom Senat bestätigt, wird der 53-jährige Kavanaugh als Richter auf Lebenszeit die Verfassungspraxis in den USA für Jahrzehnte prägen. Dies eröffnet ihm die Möglichkeit, praktisch jeden Aspekt des Lebens in den USA punktuell mitzugestalten, von Abtreibung über Justiz, Umweltschutz, Migration und Minderheitenrechte bis zu den Steuern.

Wer ist Brett Kavanaugh?

Die Nominierung Kavanaughs scheint niemanden überrascht zu haben. Schon 2011, während meines Nachdiplomstudiums an der Harvard Law School, war klar, dass Kavanaugh – damals seit fünf Jahren Berufungsrichter – für höhere Weihen vorgesehen war. Seine Vorlesung erzielte beste Evaluationsergebnisse und war besonders bei konservativen und libertären Studierenden äusserst beliebt. Als Dozent ist Kavanaugh sehr strukturiert, hervorragend vorbereitet und auch überraschend gesellig. Neben juristischen Themen ist es ihm ein Anliegen, das Urteilsvermögen der Studierenden zu schärfen und ihnen seine Berufsethik zu vermitteln. Eines seiner denkwürdigen Zitate lautet: «Loyalität ist wichtig, doch Integrität geht über alles.»

Was hat Kavanaugh geprägt?

Drei Stationen seiner Karriere scheinen Kavanaugh besonders geprägt zu haben. Ende der 1990er Jahre arbeitete er für den Untersuchungsbeauftragten Kenneth Starr, dessen Bericht zum (letztlich gescheiterten) Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton führte. Aufgrund dieser Erfahrung kam Kavanaugh zum Schluss, dass ein Präsident während seiner Amtszeit nicht zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden sollte, da ihn dies in seiner Amtsführung einschränken würde. Dies mag bei Donald Trump, dessen Umfeld mit einer Untersuchung wegen Verbindungen zu Russland konfrontiert ist, auf Interesse gestossen sein.

Später arbeitete Kavanaugh für den Supreme-Court-Richter Kennedy, als dessen Nachfolger er vorgesehen ist und den er nicht nur für seinen Intellekt, sondern auch für seine Unabhängigkeit zu bewundern scheint.

Während der Präsidentschaft von George W. Bush arbeitete Kavanaugh in verschiedenen Funktionen im Weissen Haus und war von 2003 bis 2006 für den Dokumentenfluss vom und zum Präsidenten zuständig. Nach meiner Einschätzung dürfte er aufgrund dieser Erfahrungen eher als andere Richter bereit sein, dem Präsidenten einen weiten Kompetenzbereich zuzugestehen.

Was für ein Supreme-Court-Richter wird Kavanaugh sein?

Anlässlich seiner Nomination sagte Kavanaugh, ein Richter müsse Recht sprechen, nicht schaffen. Die US-Verfassung sei dabei so auszulegen, wie sie geschrieben steht, im Lichte der Geschichte, Tradition und Präzedenzfälle. Dies ist typisch für einen konservativen amerikanischen Juristen. Demgegenüber wünschen sich viele linke Juristen, dass Richter den gesellschaftlichen Wandel vorantreiben, indem sie die Verfassung mit Blick auf heutige gesellschaftliche Bedürfnisse und Anschauungen interpretieren.

Viele Beobachter gehen davon aus, dass Kavanaugh als Richter am Supreme Court konservativer sein wird als sein Vorgänger Kennedy. Doch würde es mich nicht überraschen, wenn Kavanaugh wie Kennedy eine eigenständige Linie fahren und es ihn dabei nicht kümmern würde, ob er damit der Linken, der Rechten oder beiden Seiten des politischen Spektrums auf die Füsse tritt.

Dr. Daniel Häusermann, LL.M. (Harv.), ist Privatdozent für Privat- und Wirtschaftsrecht an der HSG. Er lebte und forschte während zweier Jahre in den USA.

Bild: Keystone/APA/Manuel Balca Ceneta

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