Hintergrund - 09.05.2023 - 09:00 

CLOTHESfriends-Founder Carmen Jenny am 52. St.Gallen Symposium: «Wir müssen voneinander lernen»

Carmen Jenny ist Co-Founder und CEO der digitalen Modeplattform CLOTHESfriends. Am 52. St.Gallen Symposium sprach die Entrepreneurin über generationsübergreifende Herausforderungen in der Modeindustrie. Von Studentenreporterin Anna Kati Schreiter.
Quelle: HSG Newsroom
CLOTHESfriends-Founder Carmen Jenny am 52. St.Galler Symposum: «Wir müssen voneinander lernen»
CLOTHESfriends-Founder Carmen Jenny am 52. St.Galler Symposum: «Wir müssen voneinander lernen»

Die Modeindustrie übt einen erheblichen Einfluss auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft aus: Vom Einsatz giftiger Chemikalien und einen enormen Verbrauch von Wasser über den Ausschluss lokaler Produzenten und Einzelhändler bis hin zu menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen. Massnahmen wie die Nutzung recycelter Materialien, faire Entlohnung sowie die Förderung lokaler Lieferketten können dazu beitragen, negative Auswirkungen der Modeindustrie auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft zu minimieren.

Die gelernte Modejournalistin und Medienkommunikations-Expertin Carmen Jenny baute nach ihrem Studium ihr eigenes, nachhaltiges Fashion-Tech Startup auf, um sich der Thematik der Zirkularwirtschaft zu widmen. Am 52. St.Galler Symposium diskutierte die Entrepreneurin Herausforderungen von Unternehmen im Bereich der nachhaltigen Mode und wie diese gemeistert werden können.
 

Liebe Carmen, du bist Founder und CEO von CLOTHESfriends. Was im April 2021 als Projekt einer Fashion Rental App gestartet hatte, entwickelte sich in den letzten zwei Jahren zu einem Netzwerk, welches ein Angebot rund um Lösungen im Bereich der zirkularen Mode für KonsumentInnen und Modeunternehmen einschliesst. Dabei soll jeder die Möglichkeit haben, selbst etwas in der Modeindustrie zu verändern und zur zirkularen Wirtschaft beizutragen. Was hat dich angetrieben, ein eigenes Unternehmen aufzubauen?

Ich war unterbewusst schon immer ein bisschen unternehmerisch aktiv. Früher hatte ich meinen eigenen Blog, den ich später mit einem kleinen Team zu einem Online-Magazin aufgezogen habe. Parallel habe ich Modejournalismus und Fashion-Management in München studiert, wobei Nachhaltigkeit zu der Zeit tatsächlich noch überhaupt kein Thema war. Ich selbst habe Mode da schon sehr geliebt, mir regelmässig gerne neue Sachen gekauft und mich stark damit auseinandergesetzt, wofür Mode als Kulturgut steht. Im letzten Studien-Jahr hat uns eine Dozentin dann die Dokumentation «The True Cost» gezeigt, in welcher die Schattenseiten der Modeindustrie enthüllt werden. Neben meinem Studium habe ich ein Praktikum bei einem internationalen Modemagazin gemacht und im Anschluss als Online-Redakteurin gearbeitet. In diesem Zusammenhang konnte ich Leser:innen zwar zu den Missständen in der Modeindustrie und nachhaltigen Alternativen aufklären, trotzdem habe ich auch immer dazu angeregt, noch mehr Kleidung zu kaufen. Das konnte ich irgendwann nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren und gleichzeitig dachte ich mir, dass es nicht sein kann, dass wir auf Unternehmen warten müssen, die umdenken. Wir produzieren jedes Jahr eine Milliarde Kleidungsstücke und was machen wir mit den Kleidern, die dann in unserem Kleiderschrank sind? Für meine Bachelorarbeit habe ich mich dann mit der ganzen zirkularen Wirtschaft auseinandergesetzt und Branchen angeschaut, in welchen die Sharing Economy schon überall greift. Ich dachte mir: Genau das braucht es auch für die Mode. Zusätzlich musste ich für eine andere Abschlussarbeit ein Marketing-Konzept für eine Idee aufziehen und habe dann eben so eine nachhaltige Modeplattform aufgebaut. Diese Idee hat mich dann nicht mehr losgelassen und so habe ich sie später in die Realität umgesetzt.

Wie möchtest du mit CLOTHESfriends zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen?

Circular Fashion umfasst den kompletten Prozess, der uns ermöglicht, Kleider von Anfang bis Ende langfristig und nachhaltig im Kreislauf zu behalten. Dabei sind wir mit CLOTHESfriends nicht diejenigen, die neue Materialien herstellen, und wir sind auch nicht die, die neue Recycling-Maschinen entwickeln. Es ist sehr wichtig, dass es das alles gibt, aber ich sehe unsere Verantwortung darin, die Konsumenten und die Endverbraucher mit den richtigen Lösungen zu verknüpfen und da auch mit den Unternehmen direkt zusammen zu arbeiten. So ein Symposium wie das in St.Gallen ist für mich deshalb extrem wertvoll, um von den Marken, die hier sind, direkt zu lernen. Dabei ist es essentiell, eine langfristige Transformation in den Unternehmen sowie einen Austausch und auch Dialog zu schaffen, der dazu führt, dass wir gar nicht mehr sagen müssen, ob etwas nachhaltig ist oder nicht, sondern dass es ist normal, dass etwas nachhaltig und zirkulär ist.

Was sind deine Gedanken zum «Neuen Generationenvertrag», der am Symposium diskutiert wird?

Wir müssen voneinander lernen. Für uns ist es bei CLOTHESfriends wichtig, zu verstehen, wie die grossen Unternehmen in der Modeindustrie funktionieren. Die Transformation und das Thema der Kreislaufwirtschaft, auch unabhängig von der Mode, ist aber auch sehr politisch. Ich glaube es ist extrem wichtig, zusammen bessere Entscheidungen zu treffen und auch den jüngeren Menschen die Chance zu geben, bei Entscheidungen dabei zu sein, gleichzeitig aber auch die Entscheidungsgrundlage von älteren Generationen zu verstehen. Was ich am St.Gallen Symposium super finde, ist, dass sie auch Lösungen schaffen, wie zum Beispiel das Young Leaders on Board. Es wird nicht nur darüber geredet, dass wir zusammen mehr Dialoge führen müssen, sondern es finden auch Taten statt. Ich glaube, da kann noch sehr viel entstehen, indem Startups, Unternehmen, Verwaltungsräte, angehende Unternehmerinnen und auch die Uni selbst, zusammengebracht werden.

Was ist dein persönlicher Beitrag für künftige Generationen und was erwartest du von anderen?

Wir müssen dafür sorgen, dass die Generation nach uns auf diesem Planeten leben kann und wir in allen Branchen eine Veränderung hervorbringen, die diesen Planeten nicht kaputt macht. Ich denke, unsere Generation sieht, dass wir Veränderungen auf allen Ebenen brauchen – Veränderungen, die nicht nur besprochen, sondern auch umgesetzt werden. Dabei ist es auch mein persönliches Anliegen, jungen, angehenden Unternehmerinnen zu zeigen, dass sie etwas bewegen und etwas Eigenes aufziehen können. Das ist aber nicht möglich, wenn sie sich nicht mit allen Generationen auseinandersetzen. Für mich ist es zum Beispiel auch wichtig, schon jetzt zu lernen, wie die Teenager von heute ticken. Aber ich möchte Leuten zeigen, dass wir alle das Potential haben, diese Welt nachhaltig zu verändern.

Von anderen erwarte ich Offenheit und einen gewissen Grad an Commitment. Ich finde es wichtig, dass die Thematik nicht auf die leichte Schulter genommen wird, da es ein Thema ist, das uns für immer begleiten wird. Deshalb erwarte ich auch, dass sich alle Generationen die Zeit dafür nehmen, den Austausch zu schaffen, indem sie zum Beispiel aktiv an so einem Symposium teilnehmen und probieren, diese Möglichkeiten zu nutzen, sich selbst aus einer Komfortzone zu wagen. Am Symposium gab es ein Format mit ZEIT ONLINE, an welchem man sich gezielt mit Leuten austauschen konnte, von denen man wusste, sie haben andere Ansichten. Das hilft, eben genau diese Ansichten eventuell zu verstehen und nachvollziehen zu können.

Dies ist nicht deine erste Teilnahme am St.Gallen Symposium. Was nimmst du von der diesjährigen Veranstaltung mit?

Seit einem Jahr probiere ich verstärkt, diesen Austausch zu schaffen und mit verschiedenen Leuten zu reden. Am Symposium treffe ich Menschen, die ich bereits kenne, und bekomme die Chance, neue spannende Bekanntschaften zu machen. Bei den Unterhaltungen spüre ich, wie alle für eine Veränderung brennen. Dieser Spirit gibt mir viel Energie für alles, was kommt, und auch das Gefühl, dass alles möglich ist.

Zugleich erlebe ich es selten, dass es an einer Konferenz zwei Sessions gibt, welche Mode in den Fokus rücken. Das zeigt, dass die Modeindustrie endlich nicht mehr nur als Lifestyle-Thema, sondern als Problem gesehen wird, welches man lösen will. Weiter haben wir bei CLOTHESfriends gemerkt, dass ein Wandel in der Modeindustrie sehr zeitintensiv und mit viel Aufklärung verbunden ist.  Der Markt für unser Rental-Angebot war zum Beispiel noch nicht bereit. Am Symposium möchte ich deshalb gerne die Chance nutzen, um herauszufinden woran das liegt und was wir in Zusammenarbeit mit Unternehmen und jüngeren Generationen machen können, um Lösungen zu finden die wir jetzt umsetzen können und uns langfristig zu den nächsten Phasen führen. Deshalb war es für mich eines der Highlights zu sehen, wie viele Leute diesem Thema zuhören und jetzt mehr darüber aufgeklärt sind.
 

Anna Kati Schreiter hat Betriebswirtschaftslehre an der Universität St.Gallen studiert.

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