Leute - 29.08.2019 - 00:00 

Carla Del Ponte wird für ihre Jagd nach Kriegsverbrechern ausgezeichnet

Carla del Ponte hat an der Universität St.Gallen den Erich Walser Generationenpreis erhalten. Die Tessiner Juristin wird damit für ihre Verdienste als Chefanklägerin der Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien und Ruanda ausgezeichnet.
Quelle: HSG Newsroom
Award Ceremony

29. August 2019. Als Carla Del Ponte am vergangenen Dienstagabend im grossen Auditorium der Universität St.Gallen ans Mikrofon trat, wurde sofort klar: Die mittlerweile 72-Jährige hat nichts von ihrem Scharfsinn und ihrer Schlagfertigkeit verloren. Del Ponte fesselte das Publikum mit einer kämpferischen Rede zum Zustand der Menschenrechte. Sie bedankte sich zuerst für die Verleihung des Erich Walser Generationenpreises, den sie zum Abschluss des 11. World Demographic & Ageing Forum (WDA) erhielt. Dann sagte sie: «Ich bin sehr froh über das Preisgeld von 20'000 Franken. In syrischen Flüchtlingslagern gibt es immer noch viel Bedarf an Unterstützung.» Dass Del Ponte - bis heute international bekannt für die Durchsetzung humanitären Völkerrechtes - den Preis erhielt, passte zum Leitthema des WDA 2019. Dieses drehte sich um das 70-jährige Bestehen der Genfer Konvention und deren Zusammenhang mit demografischen Entwicklungen. Das Ziel sei, so schrieben die WDA-Organisatoren in der Einladung zum Forum, die Respektierung des Völkerrechts und damit eine friedvolle Welt für kommende Generationen in den Fokus zu rücken.

Bundesrat Cassis: «Sie mag das direkte Wort»

In ihrer gut 20-minütigen Rede bewies Del Ponte, was Bundesrat Ignazio Cassis kurz zuvor in seiner Laudatio über sie gesagt hatte: «Carla Del Ponte mag das direkte und ehrliche Wort.» Die heute pensionierte Juristin Del Ponte sagte, sie sei frustriert angesichts der Lage der Welt. «Es gibt immer mehr Kriege und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, aber die UNO ist quasi handlungsunfähig und tut nichts dagegen.» Offenbar habe ihre Arbeit als Chefanklägerin der internationalen Straftribunale für die Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien und in Ruanda zu wenig abschreckende Wirkung gehabt. 161 Verantwortliche für Kriegsverbrechen und Völkermorde hat Del Ponte in ihrer Zeit als Strafverfolgerin von 1999 bis 2007 vor das internationale Gericht im holländischen Den Haag gebracht. «Und wenn man gemeinsam mit Angehörigen der Opfer an einem Massengrab steht, versteht man ansatzweise, wie wichtig diese Gerechtigkeit für die Menschen ist.» Die Tessinerin, die ihre Rede in nahezu perfektem Deutsch hielt, streute immer wieder solche ergreifenden und spannenden Anekdoten aus ihrer Karriere ein.

Die international bekannteste Schweizerin

Ignazio Cassis sagte dazu: «Gerechtigkeit ist Wahrheit und ohne Wahrheit gibt es keinen Frieden.» Carla Del Ponte habe ihr ganzes Berufsleben der Suche nach der Wahrheit, basierend auf Daten und Fakten, gewidmet. Cassis erinnerte daran, wie Del Ponte in seinem und ihrem Heimatkanton Tessin 1981 als Staatsanwältin einen kompromisslosen Kampf gegen das grenzüberschreitende, organisierte Verbrechen aufnahm. 1994 folgte die Ernennung zur Bundesanwältin, 1999 die Berufung nach Den Haag. Die Verhaftungen der bosnisch-serbischen Kriegsverbrecher Radovan Karadžić und Ratko Mladić seien zum grossen Teil das Verdienst ihrer hartnäckigen Arbeit, sagte Cassis. «Damit wurde Carla Del Ponte die international bekannteste Schweizer Persönlichkeit – zumindest nach Roger Federer.» Allerdings brauche es für die Jagd nach Kriegsverbrechern mehr Hartnäckigkeit als für drei Sätze Tennis, ergänzte Cassis im Scherz.

68-Jähriger begeistert junge Musiker

Neben Cassis waren die Alt Bundesräte Adolf Ogi und Hans Rudolf Merz nach St.Gallen gekommen, um Del Ponte zu ehren. Ogi hatte vor drei Jahren ebenfalls den Erich Walser Generationenpreises erhalten. Dieser wird von der Helvetia Gruppe gestiftet und an Personen verliehen, die sich international für den Generationendialog eingesetzt haben (siehe unten).

Die Preisverleihung wurde musikalisch eingerahmt von der Big Band «Dai Kimoto & his Swing Kids». Die 13 Musiker mit verschiedenen Blechblasinstrumenten, E-Bass und Schlagzeug um den aus Japan stammenden Jazzmusiker und Bandleader Dai Kimoto erhielten den regionalen WDA-Anerkennungspreis. Dieser ist mit 3000 Franken dotiert und honoriert aussergewöhnliche Leistungen, die das Generationenverständnis in der Ostschweiz fördern. Der 68-jährige Dai Kimoto entzünde bei den jungen Musikern im Alter von neun bis 19 Jahren eine generationenübergreifende Begeisterung, hiess es in der Laudatio. Die Swing Kids geben weltweit Konzerte und bewiesen ihre Klasse auch auf der heimischen Ostschweizer Bühne in der Universität St.Gallen. Die WDA-Preisverleihung lockerten sie immer wieder mit Swingklassikerin wie etwa «Sing Sing Sing» von Benny Goodman auf. Bundesrat Cassis hatte sichtlich Freude an den jungen Musikern: «Ich gratuliere euch herzlich – als Jugendlicher war ich auch Trompeter.»


Ein Preis für internationale Verdienste

Der Erich Walser Generationenpreis wird seit 2005 im Gedenken an Erich Walser, Gründungsmitglied des WDA Forums und ehemaliger Verwaltungsratspräsident der Helvetia Holding AG, verliehen. Der mit 20'000 Franken dotierte Preis wird von der Helvetia Gruppe gestiftet. Er wird seit 2005 alle drei Jahre vom WDA Forum gemeinsam mit der Universität St.Gallen vergeben. Geehrt werden Personen, die sich auf internationalem Niveau vorbildhaft für das Verständnis zwischen den Generationen einsetzen. Bisherige Preisträger waren unter anderen Alt Bundesrat Adolf Ogi, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sowie der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt.

Text: Urs-Peter Zwingli

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